Die Weiße Rose
Schüddekopf und Gisela Schertling. Die Hochschule ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, um ihre Verbundenheit mit der Gauleitung durch die Entfernung der angeblichen Verräter zu demonstrieren.
Am 22. Februar begann der Volksgerichtshofprozess gegen Christoph Probst und Hans und Sophie Scholl in einem besonders repräsentativen Gerichtssaal im Münchener Justizpalast.
Der fanatische Nationalsozialist und Hitlers oberster Blutrichter, Roland Freisler, war mit dem 1. Senat des Volksgerichtshofes eigens aus Berlin angereist, um die jungen Leute abzuurteilen.
Freisler war seit August 1942 Präsident des Volksgerichtshofs. Bei seiner Ernennung richtete er folgenden Eid an seinen „Führer“:
„Mein Dank für die Verantwortung, die sie mir anvertraut haben, soll darin bestehen, dass ich treu und mit aller Kraft an der Sicherheit des Reiches und der inneren Geschlossenheit des deutschen Volkes durch eigenes Beispiel als Richter und als Führer der Männer des Volksgerichtshofes arbeite, stolz, Ihnen, mein Führer, dem obersten Gerichtsherren und Richter des deutschen Volkes, für die Rechtsprechung ihres höchsten politischen Gerichtes verantwortlich zu sein. Der Volksgerichtshof wird sich stets bemühen, so zu urteilen, wie er glaubt, dass sie, mein Führer, den Fall selbst beurteilen würden.
Heil mein Führer! In Treue, ihr politischer Soldat Roland Freisler.“ 150
Freisler stand für eine radikale Politisierung der NS-Justiz. Im NS-Staat sollte die Rechtsprechung nicht länger die Rechte des Einzelnen garantieren, sondern dem Willen des „Führers“ und der Partei dienen. Der „Reichsrechtsführer“ Hans Frank definierte 1936 die Aufgabe des Richters im NS-Staat:
„[Der Richter hat...] die völkische Gemeinschaftsordnung zu wahren, Schädlinge auszumerzen, gemeinschaftswidriges Verhalten zu ahnden und Streit unter Gemeinschaftsmitgliedern zu schlichten. Grundlage der Auslegung aller Rechtsquellen ist die nationalsozialistische Weltanschauung,wie sie insbesondere in dem Parteiprogramm und in den Äußerungen des Führers ihren Ausdruck findet.“ 151
In neuen „Deutschen Recht“ wurde die Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz aufgehoben und durch die Grundsätze der Rassenlehre ersetzt. Nur „Volksgenossen“ hatten – stark eingeschränkte – Bürgerrechte.
In den Jahren zwischen 1933 und 1945 wurde die Anzahl der Tatbestände, die mit der Todesstrafe bedroht waren, von 3 auf 46 erhöht, die Zahl der Todesurteile stieg auf 5000 im Jahr. Schon der öffentliche Zweifel am deutschen „Endsieg“ konnte den Tod bedeuten. In Hitlers Reich galt die Devise „Kopf hoch oder Kopf ab!“
Vor einem Publikum aus Funktionären des NS-Staates, die aus der Justiz, der Partei und der Wehrmacht kamen, inszenierte Freisler sein blutiges Schauspiel: „[...] tobend, schreiend, bis zum Stimmüberschlag brüllend, immer wieder explosiv aufspringend“ 152 versuchte er die Angeklagten einzuschüchtern und zu demütigen. Freisler war Richter und Ankläger zugleich. Er war der „öffentlicher Rächer“, dessen Aufgabe es nach den Worten von Reichsanwalt Parisius war, „die Gegner des Nationalsozialismus zu vernichten“. 153
Nach vier Stunden war die Farce vorbei. Gegen 13.30 Uhr verlas Freisler das Urteil:
„Die Angeklagten haben im Kriege in Flugblättern zur Sabotage der Rüstung und zum Sturz der nationalsozialistischen Lebensform unseres Volkes aufgerufen, defaitistische Gedanken propagiert und den Führer aufs gemeinste beschimpft und dadurch den Feind des Reiches begünstigt und unsere Wehrkraft zersetzt. Sie werden deshalb mit dem T o d e bestraft.
(...)
Wenn solches Handeln anders als mit dem Tode bestraft würde, wäre der Anfang einer Entwicklungskette gebildet, deren Ende einst – 1918 – war. Deshalb gab es für den Volksgerichtshof zum Schutze des kämpfenden Volkes und Reiches nur eine gerechte Strafe: die Todesstrafe. Der Volksgerichtshof weiß sich darin mit unseren Soldaten einig!
Durch ihren Verrat an unserem Volk haben die Angeklagten ihre Bürgerehre für immer verwirkt.
Als Verurteilte müssen die Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens tragen.
(...)“ 154
Hans Scholl, Sophie Scholl und Christoph Probst mussten durch das Fallbeil sterben. Das Urteil sollte noch am gleichen Tag vollstreckt werden. Die nationalsozialistische Terrorjustiz hatte ihre Allmacht bewiesen.
Robert und Magdalena Scholl waren im Gerichtssaal, als das Todesurteil über ihre Kinder gesprochen wurde.Sie
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