Die Weiße Rose
Berndl-Ramdohr half ihm dabei, über einen ausländischen Freund einen falschen Pass zu besorgen. Der Bulgare Nikolay Hamazapian gab ihm neben den gefälschten Papieren Kleidung und Essen für die Reise mit. Schmorell wollte zuerst nach Innsbruckfliehen, um dort eine Russin zu treffen, die ihm weiter-helfen konnte. Beim Abschied von Lilo Ramdohr sagte er voll Gottvertrauen:
„Es muss was geschehen. Und wenn es denn sein soll, werde ich mich aufs Sterben freuen, weil ich ja weiß, dass es kein Ende gibt.“ 157
Als sie zum Abschied seine Hand nahm, sagte er noch: „Du, mein bester Freund.“ 158 Dann verschwand er aus München.
Am 21. Februar 1943 begann die Gestapo mit einer Großfahndung nach ihm. In den „Münchner Neuesten Nachrichten“, erschien an diesem Tag eine Anzeige mit Schmorells Bild. Eine Belohnung von 1000 RM wurde für die „Ergreifung eines Verbrechers“ 159 ausgelobt. Überall hingen Fahndungsplakate mit seinem Bild. Sie hingen neben den blutroten Propagandaplakaten, auf denen die NS-Behörden stolz die Ermordung seiner drei Freunde als „Hochverräter“ verkündeten.
Schmorell flüchtete bis nach Innsbruck. Die Russin, die er treffen wollte, kam nicht. Wahrscheinlich war ihr die Sache zu heiß geworden. Daraufhin versuchte er bei Bekannten unterzutauchen, die in der Nähe von Innsbruck ein Schloss besaßen. Die Bekannten fürchteten aber die Nachforschungen der Gestapo und wollten ihn deshalb nicht aufnehmen. Von einer entfernten Verwandten der Familie wurde er sogar an die Polizei verraten. Doch er hatte Glück. Die Polizisten akzeptierten seinen gefälschten Pass und ließen ihn weiterziehen.
Nun versuchte er, in die Schweiz zu reisen. Es gelang ihm aber nicht, über die stark verschneiten Alpenpässe in die Freiheit zu gelangen.
Weil er keine Vorräte und kein Geld mehr hatte, entschloss er sich schweren Herzens, nach München zurückzukehren. Vielleicht konnte er ja in der Großstadt untertauchen. Heinrich König, ein überzeugter Nazi, nahm ihn auf und versteckte ihn auf dem Dachboden seines Hauses.
Ein schwerer Luftangriff zwang Schmorell, sein Versteck auf dem Dachboden zu verlassen. In einem öffentlichen Luftschutzbunker wurde er von einer ehemaligen Studienkollegin erkannt. Sie meldete ihn beim Luftschutzwart. Nach heftiger Gegenwehr wurde er überwältigt und an die Gestapo ausgeliefert. An dem Tag, an dem seine ermordeten Freunde beerdigt wurden, war er in den Fängen der Gestapo. Am nächsten Tag wurde auch Prof. Huber verhaftet.
Am 19. April 1943 begann in München der zweite Volksgerichtshof-Prozess gegen den Weiße-Rose-Kreis. Inzwischen hatten die Ermittler eine recht genaue Vorstellung über den Aufbau und die Struktur des Widerstandskreises. Auch Freisler hatte sich mehr Zeit zur Vorbereitung genommen. Im ersten Prozess war es ihm um eine schnelle Abstrafung der angeblichen Haupttäter gegangen. Mit dem im Wortsinn „kurzen Prozess“ wollte die NS-Justiz ein Exempel statuieren. Nun aber wollte Freisler „deutsches Recht“ sprechen. Er hatte über vierzehn Angeklagte zu richten.
Wie beim ersten Prozess war auch diesmal im Gerichtssaal nur ein handverlesenes Publikum aus Parteifunktionären und Militärs zugelassen. Eine kritische Öffentlichkeit, die den Beschuldigten zustimmen könnte,war nicht erwünscht. Die Angeklagten sollten die geballte Macht von Staat und Partei zu spüren bekommen.
Alexander Schmorell, Willi Graf und Prof. Huber waren die Hauptbeschuldigten. 160 Hans Hirzel, Susanne Hirzel und Franz Müller waren angeklagt, das fünfte Flugblatt in Ulm und Stuttgart verbreitet zu haben. Der Steuerberater Eugen Grimminger hatte sich als Finanzier der Gruppe zu verantworten.
Heinz Bollinger, Helmut Bauer, Heiner Guter, Gisela Schertling, Traute Lafrenz, Karin Schüddekopf und Falk Harnack wurden als Mitwisser angeklagt, die keine Anzeige erstattet hatten.
Alexander Schmorell war der Hauptangeklagte. Für seine Aussage: „Ich bin Sanitäter und tue dabei meine Pflicht. Wie ich nicht auf Deutsche schieße, so schieße ich nicht auf Russen“, 161 bekam er Freislers volle Verachtung zu spüren. Er übergoss ihn mit Hohn und Spott und brüllte ihn nieder. Schmorell konnte Freislers Schmähungen nicht länger ertragen und verstummte schließlich. Bevor er ihn ermorden ließ, hatte Der Hinrichter (Helmut Ortner, 1993) den tapferen jungen Mann mundtot gemacht.
Willi Graf hatte es etwas leichter. Weil er lange Soldat gewesen war und sich seine Truppe für
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