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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Scholl
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den Strang hingerichtet wurden.
    Trotz dieser furchtbaren Erschütterung – oder gerade deshalb – aktivierte sich die Tätigkeit der deutschen Widerstandsbewegung in den folgenden Monaten ganz besonders.
    Am 8 . Februar 1943 suchte ich Alex (Schmorell) in München, in der Franz-Joseph-Straße (Gartenhaus), Wohnung von Hans und Sophie Scholl, auf. Er sprach mit großem Freimut über die illegale Tätigkeit. Sein Gesicht leuchtete, als er von dem großen Erfolg der Flugblattaktionen und von der Wirkung der Freiheits-Parolen, die sie an die Münchener Universität und an andere Gebäude geschrieben hatten, berichtete. […]
    Hans Scholl, der nach einer halben Stunde dazu kam, äußerte, er sei der festen Überzeugung, daß diese Aktionen die Widerstandskraft gegen die Nazidiktatur mobilisierten. Man müsse ein Fanal entzünden, dann würden sich alle Widerstandskräfte, die frei und unausgerichtet im deutschen Volk vorhanden seien, automatisch zusammenschließen und aktiv werden. Ich wandte dagegen ein, daß es für die illegale Arbeit dringend notwendig sei, eine absolut zuverlässige, weitverzweigte und gutgesicherte Organisation aufzubauen; denn nur wenn tatsächlich breite Teile der Bevölkerung sich an dem illegalen Kampf beteiligten, könnte er erfolgreich sein.
    Am nächsten Tag um 17  Uhr begann die Konferenz. Teilnehmer waren: Prof. Huber, Alexander Schmorell, Hans Scholl, Willi Graf, die Freundin von Hans Scholl und ich.
    Kurz berichtete ich von dem Einverständnis Berlins zur Herstellung einer überparteilichen-antifaschistischen Front. Notwendig aber war trotzdem eine Koordinierung der politischen Zielsetzung, wenn auch im weitesten Rahmen. Vor allem wurden Fragen über ein zukünftiges Deutschland diskutiert. Übereinstimmend war man der Meinung, daß eine strenge Verfolgung und Bestrafung aller Naziaktivisten stattfinden müsse, daß das Wahlrecht allen Pg’s – soweit sie nicht getarnte Widerstandskämpfer waren – abzusprechen sei und daß drittens höchstens drei Parteien zugelassen werden (eine marxistische, eine liberale und eine christliche Partei). Ebenfalls bestand in der Diskussion Einmütigkeit über die zukünftige Struktur des Deutschen Reiches. Alle traten für die Zentralgewalt ein, allerdings mit Ausnahme von Prof. Huber, der als leuchtendes Beispiel den Schweizer Liberal-Föderalismus anführte. In ökonomischer Hinsicht erblickte man die einzige Rettung Deutschlands vor einer Wirtschaftskatastrophe in der Planwirtschaft. Scholl und Huber opponierten gegen die sozialistische Planwirtschaft, und zwar Scholl nur in Bezug auf die Agrarwirtschaft, während Prof. Huber prinzipiell jegliche Planwirtschaft ablehnte und dafür das englische liberale Wirtschaftssystem für einzig möglich hielt.
    Die außenpolitischen Fragen, die auf der Konferenz besprochen wurden, behandelten heikle Probleme. War die konservative Widerstandsbewegung nahezu rein westlich orientiert (mit Ausnahme der Linie: Trott zu Solz, Haushofer, Reichwein, Stauffenberg u.a.) und hatte daher auch ständigen Kontakt und Verbindung zu London, so war die Widerstandsbewegung Harnack/Schulze-Boyen, da selbst sozialistisch, an einer Freundschaft mit der Sowjetunion – unter völliger Wahrung der deutschen Souveränität – grundlegend interessiert. War bis zu diesem Diskussionspunkt eine Verständigung möglich gewesen, so erklärte nunmehr Prof. Huber, daß er eine Freundschaft mit der Sowjetunion ablehne und nur den liberalen Individualismus als die gemäße Lebensform für Deutschland anerkennen könne. Hier griffen Scholl und Schmorell ein. Insbesondere Schmorell führte aus, daß es politisch absolut kurzsichtig sei, sich nur auf den Westen festzulegen. Obwohl er nicht Kommunist sei, glaube er aber, daß die Sowjetunion eine neue Gesellschafts- und Wirtschaftsform gefunden habe, die unzweifelhaft die stärksten politischen Kräfte in der Zukunft stellen werde. Man kann sagen, daß die junge Generation bereit war, sich mit der Frage des Verhältnisses zur Sowjetunion und zum Sozialismus positiv auseinanderzusetzen, obwohl sie aus dem christlichen Lager kam, daß hingegen die ältere Generation immer wieder den Wunsch hat, zur liberalen Form zurückzukehren.
    Im zweiten Teil der Konferenz wurde die Frage der aktiven Kleinarbeit gegen den Nationalsozialismus behandelt. Es wurde beschlossen, sich über alles Trennende hinweg einzig und allein dem gemeinsamen Kampf gegen Hitler und sein System zu widmen.
    Drei

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