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Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Titel: Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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Toni nicht geht. Ihr Vater würde sie umbringen, wenn er Schminksachen bei ihr fände!« Sie schlug die Hand vor den Mund, als ihr klar wurde, was sie gesagt hatte. Leise begann sie zu weinen.
    Kerstin nahm ihre Tochter in den Arm und strich ihr über das Haar. Dann löste sie sich aus der Umarmung und wiederholte ihre Frage: »Von welchem Geld habt ihr diese Dinge gekauft, Nora? Schminke kostet viel Geld. Das sind teure Markenprodukte. Ganz zu schweigen von dem Parfüm. Woher hattet ihr das Geld?«
    »Toni hatte es.«
    »Woher? Sie bekommt – sie hat nicht mehr Taschengeld bekommen als du. Ich habe mit ihrem Vater darüber gesprochen. Die Dinge in diesem Karton sind über hundert Euro wert.«
    »Wir wollten das nicht!«, schluchzte Nora.
    »Was wolltet ihr nicht?« Kerstin wurde es plötzlich kalt. Eine Ahnung stieg in ihr auf.
    »Die Sachen. Wir haben sie – wir haben sie geklaut. Es tut mir leid, Mami!«
    Hin und her gerissen zwischen Wut, Trauer und Angst fasste Kerstin ihre Tochter bei den Armen. »Aber warum denn, Nora?«
    »Es war ganz einfach.«
    Kerstin hielt Nora von sich weg und betrachtete sie. »Du weißt, dass das nicht richtig ist? Diebstahl ist ein Verbrechen.«
    Nora nickte. »Ich tu es nie wieder, Mami, ich verspreche es.«
    »Aber warum, Nora, warum habt ihr das getan? Wessen Idee war das?«
    »Das war diese Leonie.« Nora hatte aufgehört zu weinen. »Sie hat uns dazu überredet. Es war wie eine – wie eine Art Mutprobe. Wir wollten nichts Böses.«
    Kerstin zog Nora an sich. Hielt sie fest. Doch das Mädchen in ihren Armen fühlte sich mit einem Mal fremd an. Noch vor einer Stunde hätte sie ihre Hand dafür ins Feuer gelegt, dass Nora niemals etwas Derartiges tun würde. Ladendiebstahl. War sie nicht mit ihrem Sohn gestraft genug? Hatte Jan sich nicht schon genug Fehltritte geleistet und seine Eltern damit in den Wahnsinn getrieben? Und jetzt fing Nora genauso an? Nein. Das durfte nicht sein. Diese Leonie war schuld. Sie schien einen schlechten Einfluss auf ihre Tochter zu haben. Wie gut, dass Nora das bereits erkannt hatte. Doch die Sache war noch nicht ausgestanden.
    »Du weißt, dass ich das der Polizei melden muss, Nora«, sagte sie. »Schon allein wegen Toni.«
    »Aber warum denn?« Nora sah sie verängstigt an.
    »Weil die Beamten alles über Toni wissen müssen. Sie haben zwar einen Mann verhaftet, aber damit ist der Fall nicht abgeschlossen.«
    »Aber das Klauen hat doch nichts …« Nora weinte wieder.
    »Nein, vermutlich hat es nichts mit dem zu tun, was mit Toni passiert ist. Aber erzählen muss ich es trotzdem. Michael und Nicole sollten es auch wissen.«
    Kerstin ließ ihre Tochter los und trat an den Schrank, um die herausgefallenen Kleidungsstücke erneut einzuräumen. Hinter ihr schluchzte Nora laut und hemmungslos. Kerstin schloss die Augen. Mit einem Mal kamen ihr Zweifel. Musste sie wirklich überall herumerzählen, dass Nora und Toni geklaut hatten? Wer hatte etwas davon? Kein Mensch. Es schadete niemandem, wenn sie sich einmal im Leben nicht ganz korrekt verhielt. Und ihrer Tochter ersparte sie damit zusätzliches Leid.
    Lydia trat mit dem Kaffeebecher ans Fenster und schaute auf die Bilker Allee hinab. Es hatte wieder angefangen zu schneien, doch der Schnee blieb nicht liegen, verwandelte sich auf der Straße in grauen Matsch, der rasch taute. In einem Fenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite blinkte ein bunter Weihnachtsmann.
    Lydia trank den letzten Schluck Kaffee und wandte sich ab. Sie fühlte sich ungewohnt ruhig und ausgeruht. Wider Erwarten war sie gestern Abend sofort eingeschlafen und hatte die Nacht ohne Albträume hinter sich gebracht. Ein seltenes Glück. Sie stellte die Kaffeetasse auf der Spüle ab, fuhr sich vor dem Spiegel im Flur noch einmal durch ihr strubbliges Haar und stieg in ihre Stiefel. Nachdem sie sich Parka, Schlüssel und Dienstwaffe geschnappt hatte, verließ sie die Wohnung.
    Draußen roch es nach Winter. Lydia sog die kalte Luft ein. Von ihrer Haustür bis zum evangelischen Krankenhaus waren es nur ein paar Minuten zu Fuß, trotzdem nahm sie den Toyota. Sie parkte im Halteverbot und marschierte durch den Eingangsbereich zu den Fahrstühlen. Am Abend zuvor hatte sie nicht mit Palmerson sprechen dürfen, vielleicht hatte sie heute mehr Glück.
    Der Beamte vor der Zimmertür grüßte sie gähnend.
    »Irgendetwas, das ich wissen müsste?«, fragte Lydia.
    »Nee«, antwortete der Mann. »Nur, dass Sie umsonst vorbeigekommen sind. Der

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