Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman
Kerl«, schnauzte Ruth Wiechert ihn an.
»Ist er nicht«, räumte Köster ein. »Trotzdem müssen wir nicht so abfällig über ihn reden.«
Schmiedel starrte auf die Tischplatte. »Jedenfalls ist er zusammengeklappt, während ich ihn befragt habe. Besonders toll fühle ich mich nicht dabei. Was, wenn er das Mädchen gar nicht umgebracht hat?«
»Dann war er immer noch ein Exhibitionist, der jede Menge Frauen belästigt hat«, sagte Schröder.
Lydia schritt ein. »Schmiedel, falls es dich beruhigt: Er war auf dem Weg der Besserung. Er ist ins Koma gefallen, als ich ihn im Krankenhaus befragt habe. Wenn also jemand in Sack und Asche gehen darf, weil er ihn auf dem Gewissen hat, dann bin ich das.«
»Müsste es in diesem Fall nicht eine Untersuchung geben?« Hackmann beugte sich vor und sah Lydia herausfordernd an. »Ich meine, wenn der Beschuldigte während einer Befragung durch dich krepiert ist, Louis?«
»Er ist nicht während der Vernehmung gestorben, das weißt du ganz genau«, fuhr Lydia ihn an.
»Aber es könnte trotzdem mit deinen Verhörmethoden zusammenhängen.« Hackmann grinste selbstzufrieden. »Wir wissen schließlich alle, wie hart du rangehen kannst.«
»Blödsinn«, rief Salomon aufgebracht. »Aber du kannst den Vorfall ja bei der Internen melden. Dann musst du denen meinen Namen aber auch geben, ich war nämlich dabei.«
»Das ist doch albern«, meinte Schmiedel. »Was soll diese Diskussion?«
»Das sehe ich genauso«, sagte Lydia scharf. »Das Thema ist hiermit beendet. Wir haben Wichtigeres zu klären.«
Lydia wartete eine Weile, um sicherzugehen, dass sich alle beruhigt hatten. Sie war Salomon und Schmiedel dankbar für die Unterstützung, doch insgeheim musste sie sich eingestehen, dass Hackmann nicht ganz unrecht hatte. Ihr war selbst nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie Palmerson vielleicht zu sehr zugesetzt hatte. Doch sie erlaubte es sich nicht, weiter darüber nachzudenken.
»Für uns bedeutet das«, fuhr sie fort, so als hätte es die Unterbrechung nie gegeben, »dass wir kein eindeutiges Geständnis mehr bekommen. Wir werden uns also weiterhin mit der Suche nach Zeugen und der Auswertung der Spuren befassen. Köster, Schröder, Meier und Schmiedel kümmern sich darum. In Ordnung?«
Niemand erhob Einwände.
»Und nun zu den anderen neuen Entwicklungen. Hackmann hat euch vermutlich bereits erzählt, dass Melanie Schwarzbach unter ungeklärten Umständen gestorben ist.« Sie schaute in die Runde, diesmal schien niemand überrascht. »Es gibt eine Verbindung zwischen den Schwarzbachs und den Bruckmanns, nämlich die beiden Töchter. Offenbar waren sie miteinander befreundet, auch wenn wir bisher nur Nora Dierckes Aussage haben. Das macht die Sache umso rätselhafter. Es scheint fast so, als wären die Mädchen heimlich befreundet gewesen. Und wir werden herausfinden, warum.«
»Die Verbindung erscheint mir aber ziemlich vage«, sagte Schröder. »Zumal es sich bei der Mutter doch um einen Suizid zu handeln scheint.«
»Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen«, rief Hackmann dazwischen. Er hatte den Rückschlag gut weggesteckt und bereits wieder Oberwasser, wie es Lydia schien. »Es gibt ein paar Umstände, die dringender Klärung bedürfen.«
»Und die wären?«, fragte Schröder, der wenig überzeugt aussah.
»Sie hatte jede Menge frische Hämatome, die nicht von dem Sturz nach der Einnahme der Tabletten stammen können, der Ehemann schien eher nervös als bestürzt.« Hackmann hob ein Blatt hoch und tippte zur Bekräftigung seiner Worte mit dem Finger darauf.
»Die Badezimmertür war abgeschlossen«, wandte Schröder ein.
»Aber das Fenster nur angelehnt«, gab Hackmann mit einem triumphierenden Lächeln zurück. »Es führt auf das Garagendach. Spunte und seine Leute haben Fußabdrücke auf dem Dach gefunden, die zu Schwarzbachs Schuhen passen könnten.«
Das brachte Schröder zum Schweigen.
»Gut«, sagte Lydia. »Hackmann, du kümmerst dich um die Ermittlung der Todesumstände im Fall Melanie Schwarzbach. Für wann ist die Obduktion angesetzt?«
»Morgen früh.« Er sah sie nicht an, sondern studierte seine Unterlagen, doch Lydia erkannte an seinen mahlenden Kieferknochen, wie viel Kraft es ihn kostete, sich zu beherrschen. Er schäumte innerlich und malte sich bestimmt bereits aus, wie er sich für die Zurücksetzung revanchieren würde. Von ihr eine Arbeitsanweisung entgegenzunehmen war ihm offensichtlich zutiefst zuwider. Sie fragte sich, ob es nur daran
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