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Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Titel: Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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mal sehen, ob die echte Leonie mit dem Phantom mithalten kann.«
    Chris Salomon schaute noch einmal auf seinen Zettel. »Hier müssen wir abbiegen.«
    »Okay.« Die Ampel war gerade auf Rot gesprungen, und Lydia bremste so knapp vor der Kreuzung, dass sie nach menschlichem Ermessen nicht mehr sehen konnte, wann es Grün wurde.
    Chris verkniff sich eine spitze Bemerkung. In den letzten zwei Tagen lief es zwischen ihm und Lydia so entspannt und kollegial wie selten. Sie arbeiteten fast wie normale Kollegen zusammen, die einander schätzten und vertrauten. Was einem Wunder glich, wenn man überlegte, wie es anfangs zwischen ihnen geknirscht hatte. Ganz zu schweigen von Freitagnacht. Aber vielleicht hatte ihr stürmisches Intermezzo wie ein reinigendes Gewitter gewirkt. Zumindest gefiel Chris diese Vorstellung.
    Lydia gab ruckartig Gas. Chris hatte keine Ahnung, wie sie mitbekommen hatte, dass es Grün geworden war. Sie hatte jedenfalls nicht den Kopf verrenkt. Wieder einmal fiel ihm auf, wie unterschiedlich Sonja und Lydia waren. Lydia fuhr Auto, als reite sie einen wilden Mustang zu, bei Sonja hatte er eher das Gefühl, dass sie gerade ihre Fahrprüfung ablegte. Sie studierte jedes Verkehrsschild aufmerksam, blinkte bei jedem Spurwechsel und stellte an der Tankstelle den Tageskilometerzähler auf Null, um zu überprüfen, wie viel Sprit sie verbrauchte.
    Chris war so in Gedanken, dass er beinahe den nächsten Abzweig verpasst hätte.
    »Halt, hier müssen wir wieder rechts!«, rief er in letzter Sekunde.
    Lydia riss das Lenkrad herum. Hinter ihr hupte jemand.
    »Entschuldige«, murmelte Chris. »Ich hab gepennt.«
    Lydia schaute zu ihm herüber, doch sie sagte nichts.
    Zwei Minuten später hielt sie vor einem sechsstöckigen Mietshaus.
    »Hat Olaf Schwarzbach uns nicht erzählt, dass seine Tochter zur Erholung auf dem Land ist?«, fragte Lydia trocken.
    »Na ja, jedenfalls ist es im Bergischen Land. Schließlich hat er nichts von einem Bauernhof gesagt, oder?« Chris stieg aus.
    Gemeinsam studierten sie die Klingelschilder. Die Frau, bei der Leonie angeblich untergebracht war, hieß Rosine Richards. Chris klingelte, kurz darauf ging der Summer. Sie fuhren mit dem Aufzug in den dritten Stock. Als die Aufzugtür aufglitt, musste Chris sich auf die Zunge beißen, damit ihm keine Bemerkung herausrutschte. Rosine Richards sah genauso aus, wie er sich eine Frau vorstellte, die Rosine hieß. Sie war fast so groß wie er und beinahe ebenso breit wie lang.
    Lydia hielt ihr den Ausweis unter die Nase. »Kriminalpolizei. Lydia Louis. Das ist mein Kollege Chris Salomon. Wir möchten mit Leonie Schwarzbach sprechen.«
    Die Frau studierte mit zusammengekniffenen Augen den Dienstausweis. »Was wollen Sie denn von der Leonie?«
    »Das sagen wir ihr selbst. Bitte lassen Sie uns hinein. Oder möchten Sie das im Treppenhaus besprechen?«
    »Ich möchte gar nichts besprechen«, sagte die Frau spitz. »Wissen Sie, Leonie ist völlig verstört. Sie hat Schreckliches durchgemacht. Was sie jetzt braucht, ist Liebe und Geborgenheit.«
    »Bitte, Frau Richards, wir müssen mit Leonie sprechen«, sagte Chris. »Es ist wichtig.«
    »Ja, bei euch ist immer alles wichtig«, gab die Frau schnippisch zurück. Ihr üppiger Busen wogte auf und ab, während sie sprach. »Aber leider erst, wenn es zu spät ist. Warum hat sich denn vorher keiner für das arme Mädchen interessiert?«
    Rosine Richards spitzte die Lippen, und Chris trat instinktiv einen Schritt zurück, weil er befürchtet, sie würde ihn anspucken. Doch die Frau hatte nichts dergleichen im Sinn. Triumphierend verschränkte sie die Arme.
    »Auch diesmal sind Sie übrigens zu spät«, sagte sie. »Herr Schwarzbach hat seine Tochter vor einer halben Stunde abgeholt.« Sie setzte ein überlegenes Lächeln auf. »Sie wissen es vielleicht noch nicht, aber Leonies Mutter hat sich umgebracht. War vermutlich besser so. Lieber keine Mutter als so eine.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Chris entsetzt.
    »Die hätte ihre Tochter doch immer weiter kaputtgemacht. Und der Schwarzbach ist ein Schlappschwanz, früher oder später hätte er Leonie wieder nach Hause geholt, auch wenn seine Frau sich geweigert hätte, eine Therapie zu machen. Ich kenne solche Typen. Kein Rückgrat.«
    »Können Sie uns irgendetwas über Leonie erzählen? Wie ist sie so?«, fragte Lydia, ohne auf die Schimpftirade der Frau einzugehen. Chris bewunderte ihre Kaltschnäuzigkeit. Er schaffte es nur mit Mühe, sich zu

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