Die Weiterbildungsluege
bereits. Auf jeden Fall
wird nicht über Sinn und Unsinn von Maßnahmen diskutiert. Da wäre nur ein Motivationskiller.
Auch die Personalentwicklerin eines Maschinenbauherstellers bestätigt die Praxis, dass Führungskräfte ihren Mitarbeitern gerne
eine schöne Trainingsmaßnahme anbieten, »als Zuckerl oder zum Ruhigstellen«. Von anderer Seite habe ich übrigens erfahren,
dass Seminare auch gerne eingesetzt werden, um Nullrunden bei Gehaltserhöhungen zu kompensieren. Wie auch immer – der Mitarbeiter
hat auf jeden Fall das Gefühl, er ist wertvoll und es wird in ihn investiert. Die eben zitierte Personalentwicklerin meinte
dazu: »Für den Moment ist der Mitarbeiter zufrieden und glücklich, wenn er ein Seminar bekommt. Das ist aber zu kurzfristig
gedacht.« Denn hinzu kommt, dass solche Maßnahmen nicht nachgehalten werden, sondern versprengte Einzelaktivitäten sind, deren
Nutzwerte ohnehin fraglich sind. Die Betriebsratsvorsitzende einer Bank ist angesichts von Incentive-Seminaren ebenso kritisch
eingestellt. Die 47-Jährige sagt: »Wenn man sich sein Seminar nach Lust und Laune aussucht und das Ganze nicht jobbezogen
ist, funktioniert Weiterbildung nicht.«
Unterstützt wird die Praxis der Incentive-Seminare dadurch, dass Führungskräfte zum Jahresende oft in dem Dilemma sind, dass
sie ihr Budget noch nicht ausgereizt haben. Der kluge Vorgesetzte weiß natürlich, dass es nicht ratsam ist, sich nun zurückzuhalten.
Denn ist das Budget erst einmal gekürzt, besteht in Zukunft kaum die Chance, dass es wieder aufgestockt wird. Schon gar nicht
in Zeiten von Sparkursen. Um diesen Konflikt zu vermeiden, gibt er lieber das Geld aus. Das Phänomen des auszuschöpfenden
Jahreshaushalts kennt der Leiter Personalentwicklung eines Wasserentsorgungsunternehmens |135| nur zu gut. Die Firma gehört zu einer Stadtverwaltung – also zum öffentlichen Dienst. »Jeder Bereich, ob Technik oder kaufmännischer
Bereich, hat ein Budget, in dessen Rahmen er handeln kann. Es ist immer sehr positiv, wenn man das ausschöpft, weil man sonst
bei der nächsten Budgetplanung unangenehme Fragen zu erwarten hat. Zum Beispiel stehen 5 000 Euro für einen kleinen Bereich
zur Verfügung.« Neugierig fragte ich nach, welche unangenehmen Fragen das wären. »Wenn man für das nächste Jahr 5 000 Euro
Budget beantragt, aber im vergangenen Jahr nur 3 500 Euro gebraucht hat, kommt die Frage: Wieso brauchen Sie jetzt mehr, Sie
sind ja auch mit 3 500 Euro klargekommen. Was gibt es denn jetzt für Gründe, das Budget aufzustocken?« Solche Gespräche vermeidet
man natürlich lieber. Stattdessen schaut man suchenden Blickes auf diverse »offene Baustellen«, in die man die verbliebenen
Gelder versenken kann. Plötzlich fällt einem ein, dass im Grunde jeder aus dem Personalbereich das Seminar zum Thema »Lohn-
und Gehaltsbuchhaltung« absolvieren sollte. Wegen der Aktualisierungen. »Natürlich gibt es eine Häufung solcher Seminarteilnahmen
zum Jahresende«, erzählte er mit einem Lächeln.
Von komfortablen Budgets profitieren natürlich voller Freude Trainer und Weiterbildungsanbieter. »Ich habe zwei Themen und
Budget«, so schallte es neulich einem Trainerkollegen aus dem Telefonhörer entgegen. Gepriesen sei dieser Kunde. Und die Personalentwicklerin
eines Zeitungsverlages erzählte aus der Zeit, als sie noch bei einem Trainingsinstitut angestellt war. »Wir haben ja nicht
umsonst Trainings für eine bestimmte Zielgruppe – nämlich neue Führungskräfte – am Timmendorfer Strand angeboten.« Das Institut
hatte immer im letzten Quartal das höchste Arbeitsaufkommen, weil die Chefs im Unternehmen merkten: »Da ist noch Geld da.
Schnell weg damit.« Der Weiterbildungsanbieter trug natürlich dem Bedarf seiner Klientel Rechnung und bot Seminare an schönen
und interessanten Orten an. »Die Ostsee war sehr beliebt«, meinte die Ex-Trainerin. Kann man auch verstehen. |136| Schönes Essen, schönes Wetter, schöne Möwen. Kurzum Seminartourismus. »Das war immer der Frust für die Trainer, weil schnell
erkennbar war, dass die Leute ohne echtes Anliegen kamen. Aber das Hotel war spitze und man konnte viel Spaß haben, wenn man
alles nicht so ernsthaft betrachtete.« Ich selbst habe auch schon das eine oder andere Erlebnis dieser Art gehabt. Einmal
hatte ich einen Auftrag, der mich direkt an die Nordsee führte. Der Ort des Geschehens war nicht unbedingt eine Nobelherberge.
Das Erste,
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