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Die Weiterbildungsluege

Titel: Die Weiterbildungsluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gris
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großen Wanderung auch einen Hochglanz-Papyrus unter die Nase
     gehalten, auf dem zu lesen war: »Uns ist kein Weg zu weit.« Vielleicht hatte er ja auch Sangeskünste wie Xavier Naidoo, der
     zur Fußballweltmeisterschaft 2006 sang: »Dieser Weg wird kein leichter sein. Dieser Weg wird steinig und schwer.«
    Was ich damit sagen will? Das Training von Führungsleitlinien kann man sich sparen, wenn der Initiator dieser Aktivität nicht
     vorangeht |141| und sich selbst nicht darum schert. So erlebte es auch die Personalentwicklerin eines Verlagshauses. Sie erstellte in Workshops
     gemeinsam mit Führungskräften aller Ebenen Gedanken über Führungsleitlinien. Als dann vom Geschäftsführer der Satz kam »Gut,
     was Sie da erarbeitet haben. Dann halten Sie sich auch mal schön daran«, war für sie dessen Haltung glasklar. Er nahm sich
     selbst aus, indem er nicht »wir«, sondern »Sie« sagte. Diese Sichtweise zementierte er auch dadurch, dass er an der folgenden
     Seminarreihe nicht teilnahm, sondern nur ein kurzes Grußwort sprach. Seine Gegenwart wäre aber nicht nur aufgrund der Vorbildwirkung
     sinnvoll gewesen, sondern auch, um zusammen mit seinen direkt untergeordneten Führungskräften darüber zu sprechen, wie man
     diese Leitlinien im Firmenalltag gemeinsam mit Leben füllt. »Solch eine Maßnahme macht dann wenig Sinn«, erläuterte mir die
     Personalentwicklerin. Sie habe im Laufe ihres Berufslebens immer wieder festgestellt, dass die nachfolgenden Ebenen nur umsetzen,
     was die oberste Ebene vorlebt. »Ich unterstelle meinem Geschäftsführer gar keine böse Absicht«, sagte die Verlagsangestellte
     und fügte hinzu: »Er hat ein offenes Ohr für Personalentwicklung, aber er steckt einfach wahnsinnig tief im operativen Geschäft.
     Er hat keine Zeit, seine eigentliche Führungsaufgabe wahrzunehmen.« Wozu ist eine hochbezahlte Führungskraft dann da, wenn
     sie ihre Aufgaben nicht wahrnehmen kann? Und den anderen Managern im Unternehmen ging es im Prinzip genauso. Die Botschaft
     war klar. Der Chef nimmt sich keine Zeit, also brauche ich es auch nicht zu tun. Die Bilanz des frohen Schaffens lautete:
     650 Manntage ins Projekt gesteckt. Dabei musste jede der 60 Führungskräfte ein Training von insgesamt sieben Tagen durchlaufen.
     Aufgeteilt in zwei Module. Danach war wieder alles beim Alten.
    Neben Führungsleitlinien gibt es noch ein anderes brandheißes Thema in den Unternehmen, das von der Vorbildwirkung von Seniormanagern,
     Geschäftsführern und Vorständen lebt. Es ist das Instrument der Zielvereinbarung. Diese Managementmethode erfreut |142| sich großer Beliebtheit in den Unternehmen. Es wird viel Zeit und Geld investiert, um ein entsprechendes System zu definieren.
     Dazu kommen mehrtägige Trainings und bisweilen sogar Einzelcoachings. Die Führungskräfte lernen etwas über wohlgeformte Ziele,
     konstruktive Zielvereinbarungs- und Reviewgespräche mit den Mitarbeitern und den Prozess der Zielkaskadierung. Und bereits
     ab diesem Punkt beginnt das System zu wanken. Denn offensichtlich durchlaufen die Seniormanager nicht das Programm oder –
     wenn überhaupt – sehr sporadisch. Ein Verdacht kommt auf: Die Herren, die das System haben wollten, setzen es selbst nicht
     um. Solche demoralisierenden Vorbilderfahrungen kennt auch ein Personalentwicklungsleiter, der nicht näher benannt werden
     möchte. In einem ersten Schritt sollten die 15 Direct Reports des Geschäftsführers bis zu einem bestimmten Termin Ziele für
     ihre Mitarbeiter definieren. Als dann alle bestens vorbereitet im Meeting zusammentrafen, meinte der Geschäftsführer: »Entschuldigung,
     meine Herren, ich bin leider nicht dazu gekommen, die Ziele für Sie vorzubereiten. Aber das können Sie ja auch noch nach unserer
     Sitzung selbst nachholen, Sie kennen ja unsere strategischen Unternehmensziele.« Die langen Gesichter der Direct Reports kann
     man sich vorstellen. So sollte der Prozess laut Schulung nicht sein. Und sie selbst hatten es ja auch geschafft, sich die
     Zeit aus den Rippen zu schälen. Hört man in die Unternehmen rein, gleichen sich die Aussagen. Dialog und Orientierung sind
     Mangelware: »Wie soll ich die Ziele kaskadieren, wenn mein Chef keine Ziele mit mir bespricht?« – »Das Gespräch hat 15 Minuten
     gedauert. Mein Chef war überhaupt nicht vorbereitet.« – »Ich habe Ziele, die sich überhaupt nicht mit meiner Arbeit decken.«
     – »Das Zielvereinbarungsgespräch fand ad hoc am Jour Fixe statt.

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