Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Titel: Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Fischen, Krabben und Meeresschildkröten.
    Der Ort selbst war eine eng gedrängte Ansammlung von Hütten und Holzhäusern, die meisten mit Palmblättern gedeckt, manche nur mit Ölzeug überspannt. Allerorts gab es ärmliche Verschläge und Bretterbuden, in denen die Piraten bei ihren Landgängen unterkamen. Die Händler, die den Freibeutern ihre hart erkämpfte Beute abkauften, hatten sich in einer ausgedehnten Zeltstadt rund um Port Nassau niedergelassen. Das Angebot an Glücksspielen, Tavernen und Freudenhäusern war enorm - sie waren neben der Hehlerei mit Beutegut die einzige Einnahmequelle der Inselbewohner.
    Gefahr drohte bisweilen von den Zyklonen, die dann und wann über die Karibische See fegten und Orte wie Port Nassau innerhalb weniger Stunden dem Erdboden gleichmachten. Doch selbst davon ließen sich die Piraten in ihrem warmen Nest nicht unterkriegen - am nächsten Tag wurde in Windeseile alles wieder aufgebaut, die Toten begraben, und bald schon feierte man erneut, genoss die Vorzüge des Piratenlebens und ließ es sich rundherum gut gehen.
    Jolly erzählte Munk alles, was sie über die Insel wusste, während sie am Hafen saßen und auf den Einbruch der Dämmerung warteten. Munk hatte mehrfach versucht, ihr den Plan auszureden, aber sie stellte sich stur. Als er anbot, sie zu begleiten, lehnte sie vehement ab. Nicht einmal die Aussicht auf ein wenig hilfreiche Muschelmagie vermochte sie umzustimmen.
    Der Geisterhändler hatte sich seit dem Morgen nicht mehr sehen lassen. Was er auch in Port Nassau zu suchen hatte, er hatte es nicht für nötig gehalten, sie einzuweihen. Lediglich das Versprechen, gut aufeinander aufzupassen, hatte er ihnen abgenommen - wer Bannon die Falle auf hoher See gestellt hatte, mochte auch auf New Providence Spione und Handlanger haben.
    Obwohl der Geist im Ausguck die Insel bereits am Nachmittag des Vortags gemeldet hatte, hatte der Händler es vorgezogen, die Nacht an Bord und in äußerster Sichtweite der Inselberge zu verbringen. Erst im Morgengrauen waren die drei in das kleine Segelboot im Schlepptau des Geisterschiffs gestiegen und waren damit zur Insel übergesetzt.
    Das Boot lag nun im Hafenbecken von Port Nassau, zwischen einer Unzahl von Ruderbooten und Jollen, mit denen die Freibeuter von ihren ankernden Schaluppen -und der einen oder anderen erbeuteten Galeone - an Land fuhren.
    Jolly und Munk saßen auf ein paar leeren Fässern und Kisten, unweit der Wasserkante.
    Dies war kein ausgebauter Hafen wie in den großen Städten auf Haiti oder Jamaika, sondern nur ein befestigter Strand, an dessen Rand sich die vordere Reihe von Tavernen und Hütten erhob, durchmischt mit den Zelten der Händler. Der stete Wind vom Meer trieb Essensdünste und schalen Biergestank landeinwärts; tatsächlich war der Strand einer der wenigen Orte in ganz Port Nassau, wo einem die Gerüche des Piratennests nicht auf den Magen schlugen.
    Munks Gesicht gewann allmählich wieder an Farbe. Trotz der Aussicht auf Jollys nächtliche Expedition und der Trauer um seine Eltern stahl sich gelegentlich ein Lächeln auf seine Züge, manchmal sogar unverhohlene Faszination. Mochten die meisten Piraten, die sturzbetrunken vor den Tavernen umherstolperten, verkommene Subjekte ohne Würde und Anstand sein, so gab es doch mittendrin immer wieder solche, die haargenau Munks Traumbild des edlen Korsaren entsprachen: Männer in teurer Kleidung, mit kniehohen Stiefeln, blitzenden Säbeln und geschwungenen Federn auf ihren Hüten.
    »Zeigst du mir deine Tätowierung?«, fragte er Jolly unvermittelt, nachdem sie eine ganze Weile geschwiegen und das trunkene Treiben vor den Tavernen beobachtet hatten.
    Sie lachte, und dabei schlugen ihre Ohrringe klimpernd gegeneinander. »Du willst, dass ich mich ausziehe? Hier?«
    Munk wurde puterrot. »So war das nicht gemeint. Ich dachte nur .« Er verstummte . »’tschuldigung, tut mir Leid.«
    »Ach was.« Jolly winkte ab und drehte ihm im Sitzen den Rücken zu. »Schieb das Hemd und die Weste hoch. Dann kannst du sie sehen.«
    »Ich soll -«
    »Nicht rumstottern, sondern tun, was ich sage.«
    Sie spürte, wie er beide Hände an ihre Taille legte. Täuschte sie sich, oder zitterte er? Liebe Güte, sie war unter Piraten aufgewachsen, einer Mannschaft von siebzig Männern. Niemals hatte es Anzüglichkeiten oder zweideutige Blicke gegeben - jeder hatte gewusst, dass er es mit Bannon persönlich zu tun bekommen hätte.
    Zögernd schob Munk ihr weißes Leinenhemd und die Weste

Weitere Kostenlose Bücher