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Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Titel: Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nach oben. Vorne hielt sie beides mit verschränkten Armen fest, doch ihr Rücken war bald frei.
    »Was ist das?«
    »Das sollte eine Koralle werden. Trevino, unser Koch, hatte gerade damit begonnen, als der Ausguck die spanische Galeone gemeldet hat. Sind noch nicht mehr als ein paar Schnörkel und Linien, fürchte ich.«
    »Willst du das so lassen?«
    »Vielleicht finde ich mal jemanden, der genug Talent hat, es fertig zu machen.« Sie drehte sich um. Rasch zog er die Hände zurück, Hemd und Weste glitten wieder nach unten. »Aber im Augenblick mach ich mir darüber, ehrlich gesagt, keine Gedanken.«
    »Klar.« Er war immer noch rot, was ihn zum ersten Mal seit den Ereignissen auf der Insel wieder völlig gesund aussehen ließ. Ein wenig Aufregung stand ihm weit besser als sein düsteres Brüten und Grübeln an Bord des Geisterschiffs. Sie musste ihn auf andere Gedanken bringen, und jetzt war die beste Gelegenheit dazu: kein Geisterhändler weit und breit, der mit seinen unheilschwangeren Geschichten Trübsal verbreitete.
    »Komm«, sagte sie und stand auf, »wir gehen was trinken.« »Du meinst… Alkohol?«
    Jolly schenkte ihm ihr gewinnendstes Grinsen. »Du willst doch Pirat werden.«
    »Kein betrunkener Pirat.«
    »Ach was, das gehört dazu. Besser du bringst es früh genug hinter dich.« Sie selbst mochte keinen Rum, Bier war ihr zu bitter, aber sie hatte dann und wann mit den Piraten einen Becher Wein getrunken. Sie wusste nicht, ob Munk Erfahrung damit hatte - falls nicht, war es höchste Zeit. Herrgott, das hier war die Karibik. Nirgendwo sonst wurden so viele Verbote überschritten.
    Munks Erstaunen wich Zweifeln. »Du willst mich ja nur ruhig stellen, damit ich dich heute Nacht gehen lasse.«
    »Das wirst du so oder so, großer Magier.« Sie ergriff seine Hand und zog ihn über den Strand zu den vorderen Tavernen.
    »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist«, sagte Munk.
    »Nun sei kein Feigling.«
    Jolly steuerte auf die nächstgelegene Schänke zu, als deren Tür mit einem lauten Krachen aus den Angeln flog und ein Knäuel von Körpern in hohem Bogen hinaus in den Sand stürzte. Ächzen und Stöhnen drang aus dem Piratenpulk, einer fluchte über einen verstauchten Knöchel.
    Munk wäre wohl lieber umgekehrt, aber Jolly blieb begeistert stehen. »Eine Schlägerei!«
    »Kann man dabei vielleicht auch von weitem zuschauen?«
    Jolly seufzte, als hätte er etwas unfassbar Kindisches gesagt. »Aber dann sieht man doch gar nichts!«
    »Vor allen Dingen trifft einen nichts - Fäuste zum Beispiel, oder schwere Gegenstände.«
    »Du bist so ein Hasenfuß!«
    Er erwiderte darauf nichts mehr und blieb neben ihr stehen, während sich das Menschenknäuel am Boden entwirrte. Gerade wollten sich die fluchenden Männer aufrappeln, als eine weitere Gestalt durch die offene Tür segelte, auf sie purzelte und alle wieder zu Boden riss.
    Geschrei hob an, dann polterten im Inneren der Taverne Möbelstücke, und ein Stuhl folgte der letzten Gestalt ins Freie - einer der schweren Gegenstände, von denen Munk gesprochen hatte. Der Stuhl verfehlte den Pulk am Boden und blieb einen Schritt vor Jolly mit der Lehne im Sand stecken.
    »Reicht das?« Munk wandte sich ab und wollte gehen.
    Jolly blieb stehen. Mit großen Augen starrte sie auf den Jungen, der als Letzter durch die Tür geflogen war. » Griffin ? Hol mich der Teufel - das ist Griffin!«
    Munk verzog das Gesicht. »Wer?«
    Jolly trat den Stuhl beiseite und ging näher auf die Männer zu, die sich eilig auf die Füße stemmten. Die ersten suchten ihr Heil in der Flucht, als aus der Tavernentür ein gewaltiger Mann ins Sonnenlicht trat. Er war größer als alle anderen und so breitschultrig, dass er den Oberkörper drehen musste, um nicht gegen den Türrahmen zu stoßen. Er trug eine schwarze Kniehose und Stiefel, aber statt einer Weste hatte er sich über das Hemd einen Brustharnisch aus Metall gezogen, wie man ihn manchmal in aufgegebenen Festungen der Spanier fand. Am erstaunlichsten aber war der Eisenhelm, der seinen gesamten Kopf bedeckte. Das Visier war geschlossen, sein Gesicht verdeckt. Helme wie diesen hatten die Ritter in der Alten Welt getragen, das wusste Jolly aus Erzählungen: Männer wie der heilige Georg oder Lancelot. Aber ein Pirat, noch dazu in der feuchten Karibikhitze? Das war mehr als ungewöhnlich.
    Der Pulk am Boden hatte sich mittlerweile aufgelöst, lediglich zwei Gestalten kauerten noch im Sand: der Mann mit dem verletzten Knöchel und der

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