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Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer

Titel: Die Wellenläufer 01 - Die Wellenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ihm durch die Tür geflogen waren, seine Verfolgung auf. Auch sie verlangten die Gewinne zurück, die er ihnen abgeluchst hatte. Unter dem Gejohle und Gegröle der umstehenden Piraten rannte Griffin mit fliegenden Zöpfen den Strand entlang und bog in eine Gasse. Die Übrigen hetzten hinterher. Bald war die Meute aus dem Blickfeld der Zuschauer verschwunden. Nach einer Weile verklangen auch die aufgebrachten Rufe der Verfolger. Die Menge löste sich auf.
    Jolly schüttelte den Kopf. »Er wird’s nie lernen.«
    Munk beäugte sie skeptisch. »Du magst ihn.«
    »Nein!«
    »Ich seh’s dir doch an.«
    »Blödsinn.«
    »Wie lange kennt ihr euch schon?«
    Sie winkte mit einem Seufzen ab. »Eine halbe Ewigkeit. Er war mal Kombüsenjunge auf einem von Bannons Schiffen - aber dann hat der Steuermann ihn wegen Betrugs beim Kartenspiel über Bord geworfen.«
    »Einfach so? Auf hoher See?«
    Jolly grinste. »Griffin ist ein guter Schwimmer -zwangsläufig.« Sie streifte die Erinnerung mit einem Kopfschütteln ab. »Komm, gehn wir was trinken.«
    Munk japste schicksalergeben, dann folgte er ihr über die zerbrochene Tür ins Innere der Taverne.

Prinzessin Soledad

    Die Nächte auf New Providence waren hell erleuchtet von Laternen und offenen Lagerfeuern. Schatten gab es nur in den engsten Gassen, den verstecktesten Winkeln - und im Hinterhof der Fetten Henne.
    Jolly balancierte über eines der wenigen Ziegeldächer Port Nassaus. Der Häuserblock rund um den Gasthof lag unterhalb der Festung des englischen Gouverneurs und bestand im Gegensatz zu den anderen Teilen der Stadt aus gemauerten Gebäuden, manche zwei und dreistöckig. Aus dem Meer der palmblattgedeckten Dächer und eingeschossigen Hütten erhob sich das Steinviertel wie eine Burg, höher und massiver als die übrige Stadt. Im Falle eines Angriffs schloss man Durchgänge und Tore und machte so das Viertel selbst zu einer kleinen Festung, in der sich Kenndrick und seine Männer verschanzen konnten.
    Der Hof der Taverne lag drei Mannslängen unter Jolly, ein schwarzes Viereck, von dem aus eine Hintertür ins Innere der Fetten Henne führen musste. Aber dort unten war es zu dunkel: Jolly erkannte weder die Tür noch den Wächter, der angeblich davor postiert war.
    Sie versuchte es mit Horchen, vergeblich. Die einzigen Geräusche kamen aus dem Inneren der Taverne: das Grölen und Singen der Zecher, hin und wieder ein Poltern oder ein Schrei, durchmischt mit dem Kreischen der Schankmägde.
    Ihr blieb keine Wahl, als die Schatten im Auge zu behalten und sich zu einem der Fenster im zweiten Obergeschoss des Gasthofs vorzuhangeln. Immerhin schien der Pirat am Eingang die Wahrheit gesagt zu haben, mehr als ein Mann hielt sich dort unten nicht auf, sonst hätte sie Gespräche, wenigstens Flüstern hören müssen.
    Trotzdem missfiel es ihr, über die offene Dachschräge zu klettern, während sie aus der Tiefe unsichtbare Augen beobachten mochten. Wie lange würde der Wächter warten, ehe er Alarm schlug? Bis sie in der Mitte des Daches und besonders ungeschützt war?
    Tu’s einfach. Los jetzt!
    Sie schob sich vorwärts, suchte mit Fingern und Fußspitzen nach Halt zwischen den brüchigen Dachziegeln und tat ihr Bestes, keinen Laut zu verursachen. Der schwarze Abgrund zerrte an ihr, wisperte ihr zu loszulassen. Du schaffst es nicht, flüsterte er ihr ins Ohr, du hast keine Chance!
    Sie hatte bereits die halbe Strecke hinter sich gebracht, als einer der Ziegel unter ihrem rechten Fuß knackte. Jolly erstarrte. Zögernd schaute sie nach unten und sah, dass der Tonziegel entzweigebrochen war. Die untere Hälfte hatte sich gelöst und drohte vom Dach zu rutschen, sobald Jolly ihren Fuß hob.
    Was nun? Sie saß fest, wenn sie nicht das Risiko eingehen wollte, durch die abstürzende Tonscherbe den Wächter im Hof zu alarmieren.
    Falls überhaupt ein Wächter da war.
    Vor allem aber konnte sie hier nicht warten, bis man sie entdeckte. Sie musste weiter, so oder so.
    Sie wollte sich gerade bewegen, als unten im Hof ein Knirschen ertönte. Ein Lichtstreif fiel durch die Dunkelheit, der Lärm aus dem Gasthaus wurde schlagartig lauter.
    Jemand hatte die Hintertür geöffnet. Jolly konnte sie jetzt zum ersten Mal sehen, sie befand sich von ihr aus gesehen in der rechten Wand des Hofes. Ein Mann trat ins Freie, schwankte leicht beim Gehen und hielt einen Bierkrug in der Hand. Er blieb stehen, hob den Krug, fluchte auf Italienisch, als er bemerkte, dass kein Bier mehr darin war, und holte aus,

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