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Die Welt auf dem Kopf

Die Welt auf dem Kopf

Titel: Die Welt auf dem Kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Agus
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eingestellt, das eine blaue Schürze und eine weiße Haube trägt. Dabei braucht ein Junge wie Giovannino, der sich selbst erzieht, überhaupt kein Kindermädchen.«
    »Aber neulich haben Johnson junior und seine Mutter sich angeschrien, dass einem die Ohren wehtaten, und seither ist von diesem Kindermädchen nicht mehr die Rede.«
    Auch für Natascha gibt es wieder Grund zur Sorge. Ihr Freund hat eine neue Stelle gefunden, wo er Kontakt mit zahlreichen Frauen hat.
    Eines Nachts ging ich in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken, und sah, dass im Buckingham Palace Lichtbrannte. Um drei Uhr, mitten in der Nacht. Ich wartete ein bisschen, aber das Licht ging nicht aus, und mir war, als hörte ich jemanden weinen und schluchzen. Da ich dachte, es sei Anna, die Probleme mit ihrem Herzen hatte, ging ich schnell hinunter und klopfte an ihre Tür. Aber es war Natascha, die wieder einmal einen Eifersuchtstraum gehabt hatte, einen der allerschlimmsten Sorte. Ihr Freund und eine Kollegin waren in einem Zimmer, und er hielt das Gesicht zwischen den Händen, als wäre er schrecklich verzweifelt. Als Natascha das Zimmer betrat, sah er sie verächtlich an, bohrte mit dem Finger in der Nase und schnippte ihr Popel auf ihr T-Shirt, woraufhin sie davonstürzte. In diesem Moment war sie aufgewacht und hatte so laut geschluchzt, dass ihre Mutter aus dem Schlaf hochschreckte.
    Sie tat mir so leid, und ich fürchtete, Natascha sei auf dem besten Weg, verrückt zu werden, wie meine Mama, mit dem Unterschied, dass sie gar keinen Grund dazu hatte. Ich schlug ihr vor, Johnson junior anzurufen, auch wenn es drei Uhr nachts war, weil ich wusste, dass er die richtigen Worte gefunden hätte. Aber Natascha wollte nichts davon wissen. Sie sagte, dass Johnson junior noch nie Probleme gehabt habe, denn sein Leben ähnele einer breiten, ebenen Straße, auf der es weder Steine noch Schlaglöcher gebe. Welchen Rat könne sie von einem wie ihm schon erwarten?

Fünfzehn
    D ie Signora von oben ist sich immer noch nicht sicher, ob etwas zwischen ihrem Mann und der Signora von unten war, und zwar weil sie es sich ganz einfach nicht vorstellen kann. Vielleicht klopft sie deswegen in letzter Zeit öfter an Annas Wohnungstür, weil sie sich von ihren Zweifeln befreien und endlich Klarheit haben will. Aber Anna öffnet ihr nie, und wenn die Vorhänge gerade nicht vorgezogen sind – man kann ja nicht ständig das Licht anhaben –, versteckt sie sich hinter einem Möbelstück.
    Dann kommt Mrs. Johnson zu mir, und ich hüte mich davor, sie in die Küche zu bitten, von wo aus man wunderbar sehen kann, ob Anna zu Hause ist, wenn sie glaubt, die Luft sei rein.
    Mrs. Johnson spricht unentwegt von Paris. Davon, welch schöne Zeit sie dort verbrachten, wie viel Erfolg ihr Manngehabt hätte, wenn sie dort geblieben wären. Aber er wollte stattdessen nach Sardinien zurück, das in ihren Augen nur zum Urlaubmachen taugt.
    Als ich neulich bei Anna war und direkt an der Verandatür des Buckingham Palace stand, erschien Mrs. Johnson unverhofft und entdeckte uns, sodass Anna nicht mehr weglaufen oder sich verstecken konnte. Wir unterhielten uns, und natürlich redete Mrs. Johnson wieder davon, wie fade das Leben hier sei und wie schön es dagegen in Paris war. Anna bekam einen solchen Minderwertigkeitskomplex gegenüber der Signora von oben, dass sie sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte. Aber sie hörte doch zu, weil Paris nun mal Paris ist. Am liebsten hätte sie Mrs. Johnson erzählt, dass auch sie die Dächer und Schornsteine gesehen hat, die die Schieferfarbe des Himmels angenommen haben, aber sie wollte sie nicht verletzen, denn was konnte diese arme Frau – mischinedda – dafür, dass sie so völlig anders war als ihr Mann? Und so blieb Paris ganz den geheimnisvollen Worten von Mrs. Johnson überlassen, die, wie sie erzählte, zum Abendessen oft soupe à l’oignon kocht, eine einfache Zwiebelsuppe. »Ach, eine soupe à l’oignon «, sagte Anna seufzend, »eine soupe à l’oignon! « Sie sprachen auch über den Wind – in Cagliari ist der Wind ein ebenso wichtiges Gesprächsthema wie in London das Wetter. Anna sagte, sie könne niemals an einem Ort wohnen, wo die zum Trocknen aufgehängte Wäsche nicht im Wind flattert. Mrs. Johnson hingegen erträgt den Wind nicht, weil er alles durcheinanderbringt.
    Mrs. Johnson hat offensichtlich den herrschaftlichen Haupteingang zur Straße hin vergessen, weil sie jetzt nur noch den Hintereingang über den Innenhof

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