Die Welt auf dem Kopf
ihr.
»Mischinedda!« Sie zog mich herein und bereitete mir kurzerhand ein Bett auf dem Sofa im Buckingham Palace.
Natascha, die einen ihrer üblen Eifersuchtsalbträume gehabt hatte, war ebenfalls auf ein Sofa im Buckingham Palace umgezogen, um ihre Mutter nicht mit ihren Albträumen anzustecken. Im Dunkeln erzählte sie mir ihren Traum.
»Mein Verlobter und ich waren am Meer, mit einer Clique von Leuten, die ich in Wirklichkeit noch nie gesehen habe, im Traum aber gut kannte. Mein Freund ist zusammen mit einem Mädchen hinter der Gruppe zurückgeblieben und hat sich mit ihr unterhalten. Ich dachte: ›Jetzt habe ich ihn nicht mehr unter Kontrolle. Aber umdrehen und zu ihnen zurück kann ich auch nicht. Was kann nicht alles passieren, auch wenn man nur ein kurzes Wegstück zusammen geht?‹ Und die beiden kamen und kamen nicht. Gerade als ich mich völlig verzweifelt auf die Suche nach ihnen machen wollte, tauchte das Mädchen auf, aber allein. Und sagte zu mir: ›Ich habe mich in ihn verliebt.‹ ›Wo ist er?‹, fragte ich. ›Er hat nicht den Mut, es dir selbst zu sagen. Ich habe jetzt keine Zeit, dir alles zu erklären. Hier hast du meine Nummer. Ruf mich irgendwann in den kommenden Tagen an.‹«
Natascha begann zu weinen.
»Wenn das passiert, bring ich mich um.«
Ich stand auf und setzte mich zu ihr auf die Sofakante.
»So was darfst du nicht sagen, du weißt ja nicht, was es für die Hinterbliebenen bedeutet, wenn man sich das Leben nimmt.«
»Zur Sicherheit werde ich mir auf jeden Fall das Zyankali besorgen. Der Gedanke, es im richtigen Moment nicht zur Hand zu haben und tatenlos zuzuschauen, wie sich mein Freund in eine andere verliebt, ist mir unerträglich.«
»Na gut. Aber morgen sprechen wir mit Johnson junior darüber, und du wirst sehen, dass er es dir ausreden wird.«
»Johnson junior hat noch nie Probleme gehabt, der versteht das doch gar nicht.«
Vierzehn
D ie Signora von oben und die Signora von unten sind mittlerweile beide wieder an ihren jeweiligen Platz zurückgekehrt.
Annina musste sich Hals über Kopf neue Arbeit suchen und legt sich neuerdings wieder eine Tablette gegen ihre Herzbeschwerden unter die Zunge. In aller Frühe verlässt sie das Haus und kommt erst spätabends mit Einkaufstüten beladen wieder nach Hause.
Johnson senior wirkt gedemütigt und, sofern das überhaupt möglich ist, noch mehr wie fuliau de sa maretta , wie »einer, der bei hohem Seegang an Land gespült wurde«. Weil die Vorhänge des Buckingham Palace immer zugezogen sind, wartet er zu der Uhrzeit, wenn Anna für gewöhnlich nach Hause kommt, auf der Hintertreppe auf sie und will ihr die Einkaufstüten abnehmen, aber sie lässt sie nichtlos, weil sie sich nicht von ihm helfen lassen will. Sie sagt, sie sei keine Familienzerstörerin und habe deswegen den geordneten Rückzug angetreten.
Mr. Johnson passt sie auch an der Haltestelle ab, wo Anna den Bus nimmt. Er tut so, als käme er zufällig in seiner Schrottlaube vorbei, und fragt sie, ob er sie zur Arbeit fahren könne.
»Machen Sie sich keine Mühe«, antwortet Anna, die wieder zum Sie übergegangen ist, und dreht den Kopf weg.
Während sie auf der niedrigen Mauer sitzt, die Beine baumeln lässt und auf den Bus wartet, sieht sie müde und sehnsuchtsvoll zu, wie er in seiner Schrottlaube davonfährt, und bricht in Tränen aus.
Oder er fährt immer wieder vor den Lebensmittelgeschäften auf und ab, wo sie ihre Einkäufe erledigt, und geht, wenn er sie entdeckt, hinein. Er fleht sie an, ihm zuzuhören, damit er ihr alles erklären kann. »Da gibt es nichts zu erklären«, erwidert Anna, »es ist alles in Ordnung.«
Nur frühmorgens ziehen Anna und Natascha die Vorhänge zurück, sodass ich sehen kann, wie sie gemeinsam frühstücken. Keine von beiden redet etwas. Schweigend und tief über ihre Tasse gebeugt, bröckelt die Mutter Brot in die Milch. Wenn sie sich an den Tisch setzt, steckt sie einen Zipfel des Tischtuchs in den Kragen und entfernt ihn wieder, wenn sie den ersten Bissen in den Mund schiebt, genau wie Johnson senior; es ist die einzige Gewohnheit, die sie aus dem oberen Stockwerk beibehalten hat. Undwenn sie sich dann dessen bewusst wird, beginnt sie zu weinen.
»Ich würde ja mit Levi reden«, sagte sie neulich zu mir. »Aber Natascha will es nicht. Sie hat mir gedroht: Wenn du dich von diesem Mann wieder rumkriegen lässt, siehst du mich nie wieder.«
»Willst du ihn denn immer noch, jetzt wo seine Frau wieder im Haus ist? Hast
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