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Die Welt auf dem Kopf

Die Welt auf dem Kopf

Titel: Die Welt auf dem Kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Agus
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du nicht gesagt, dass du keine Familienzerstörerin sein willst?«
    »Ich würde ihn schon gern noch sehen, aber nur für ein, zwei Stunden, oder auch nur für ein paar Minuten. Aber wo sollen wir denn hin? Er könnte zwar zu mir kommen, aber Natascha passt auf mich auf wie ein Luchs; ihr ist sogar zuzutrauen, dass sie um Erlaubnis bittet, sich kurz von der Arbeit zu entfernen, um überraschend hier hereinzuplatzen.«
    »Und ich habe gedacht, dass dich vor allem die obere Wohnung fasziniert.«
    »Mit ihm wäre ich überall glücklich, sogar in dem dunklen Loch in der Marina, wo ich mit meiner Mutter gelebt habe.«
    »Worauf wartest du dann noch, Anna, du hast es in der Hand. Sag Natascha, dass es sie nichts angeht. Was wirft sie dir eigentlich vor? Was erwartet sie von dir?«
    »Sie hätte eben gern eine normale Mutter.«
    »Und was versteht sie unter einer normalen Mutter?«
    »Eine, die sich in meinem Alter die Liebe oder das großeGlück ein für alle Mal aus dem Kopf geschlagen hat. Sie wirft mir vor, dass ich noch an Märchen glaube und versucht hätte, sie dazu zu bringen, ebenfalls an Märchen zu glauben, aber dass sie nicht darauf hereingefallen ist.«
    »Meine Eltern haben mir jede Menge Märchen erzählt und mit mir Kinderreime geübt. Die Märchen haben mir gefallen, weil sie immer ein gutes Ende haben, und die Kinderreime, weil dort alles auf dem Kopf steht und trotzdem alle zufrieden sind. Was ist das für eine Kindheit, wenn man ohne Märchen und Kinderreime aufwächst?«
    »Wie wahr. Meine Mutter hat mir nie Geschichten erzählt, dafür haben es aber die anderen Frauen aus der Marina getan. Die wenigen betuchten Frauen, die in unserem Viertel lebten, haben mir sogar Bücher gekauft. Wunderschöne Kinderbücher. Ich bewahre sie noch immer in der Sitztruhe auf.«
    »Und ich dachte, du würdest darin das Silber aufbewahren.«
    »Silber, schön wär’s! Du willst mich wohl auf den Arm nehmen.«
    »Zeigst du sie mir?« Ich machte eine Bewegung, als wollte ich die Truhe öffnen.
    »Nein. Lass sie bitte zu.«
    »Hat Natascha sie denn gelesen?«
    »Sicher, aber ihr haben sie nicht gefallen. Sie meinte, dass diese Geschichten in Wirklichkeit nie so geschehen könnten, und hat mich mit ihrem typisch vorwurfsvollen Blickangesehen. Sie nimmt es mir übel, dass ich ihr keine normale Familie geboten habe, weil ich meinen Mann nicht halten konnte.«
    »Aber er hat dich doch verlassen.«
    »Auch wenn sie damals noch klein war, hat sie vielleicht begriffen, dass ich ihren Vater nicht geliebt habe.«
    »Hast du ihn schlecht behandelt?«
    »Nein, wo denkst du hin! Ich war freundlich zu ihm und habe mich wirklich angestrengt, um in Schuhe zu schlüpfen, die mir viel zu eng waren, denn genau das war meine Ehe für mich, ein Paar zu enge Schuhe. Ich habe mir sogar die Zehen abgeschnitten, um hineinzupassen, so wie die Stiefschwestern von Aschenputtel, die unbedingt den Königssohn erobern wollten. Aber alle Mühen waren vergeblich. Bevor ich heiratete, war ich mit zahlreichen jungen Männern zusammen, doch irgendwann haben sie mich alle verlassen, ohne mir zu sagen, warum. Der Einzige, der es ernst mit mir meinte, war gleichzeitig der Einzige, der mir überhaupt nicht gefiel, aber mit meinen fünfunddreißig Jahren lief mir die Zeit davon. Natascha muss von früh an gespürt haben, warum ich ihren Vater geheiratet hatte, auch wenn ich nie mit ihr darüber gesprochen habe.«
    »Johnson junior sagt, wir müssen erkennen, wer wir sind und in welche Schuhe unsere Füße passen.«
    In letzter Zeit kann ich von meinem Fenster aus beobachten, wie Annina und Johnson junior im Buckingham Palace vertraulich miteinander reden. Wenn er da ist, lässt Anninadie Vorhänge offen, denn mit ihm fühlt sie sich sicher vor möglichen Angriffen seitens ihrer Tochter. Sie breitet eine Spitzendecke über einen der Tische und deckt ihn mit der böhmischen Kristallvase und dem Porzellangeschirr ein. Dann setzen sie sich gegenüber und unterhalten sich angeregt.
    Manchmal, wenn ich bei ihr bin, bleibt Annas Blick an einem Teil ihres Strandguts hängen, und sie fragt mich: »Ist dieses Zimmer nicht lächerlich? Findest du nicht auch, dass es aussieht wie ein herausgeputztes Bauernmädchen? Zum Kranklachen?«
    »Es ist sehr schön und elegant«, sage ich, auch wenn das glatt gelogen ist.
    »Hast du gesehen, im oberen Stock ist jetzt wieder ein Zimmermädchen, angezogen wie ein Zimmermädchen? Und für ihren Enkel hat Mrs. Johnson ein Kindermädchen

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