Die Welt aus den Fugen
den Pasdaran. Die Revolutionswächter sind die wirkliche Macht im Staat, die wahrscheinlich noch stärker ist als der Klerus.
Verfügt der Iran über eine wirksame konventionelle Streitmacht?
Ãber eine sehr wirksame Streitmacht. Man sollte das militärische Potential Irans nicht unterschätzen. Auch nicht unterschätzen sollte man die iranische Wirtschaft und die Entwicklung des Lebensstandards in diesem Land.
Die Armut und das Elend, von denen immer wieder geredet wird â¦
⦠das gibt es dort nicht. Der Iran baut beispielsweise eigene Autos, die die Iraner preiswert und zu günstigen Ratenkrediten kaufen können. Ich habe wirklich zahllose dieser Autos im Iran gesehen! Und noch etwas: In Teheran, wo die Mittel- und Oberschicht recht groà ist, sind die Menschen die Mullahs leid. Die Mullahs werden auf den StraÃen Teherans sogar offen angepöbelt. Auch ich glaube nicht, daà Ahmadinejad so viele Wahlstimmen erhalten hat, wie bekannt gemacht wurde. Aber er hat eine Mehrheit bekommen, wenn auch nicht in dem MaÃe wie behauptet.
In den Provinzstädten Irans dürfte sich vermutlich ein anderes Bild abzeichnen?
Dort geht es traditioneller und frommer zu. Vielfach bestimmt der Imam in seiner Freitagspredigt, wie die Gläubigen bei Wahlen stimmen sollen.
In den vergangenen Jahren hat der Westen im arabischen Raum Niederlagen hinnehmen müssen. Nach zwei Kriegen sollte der Irak der Leuchtturm der Demokratie werden â¦
⦠dies war in der Tat der Traum von US-Präsident George W. Bush. Er hat fest daran geglaubt und ähnlich gedacht, wie beispielsweise Francis Fukuyama es formulierte. Er dachte, das Ende der Geschichte sei erreicht. Die Menschheit habe nun die ideale Gesellschaftsform gefunden, nämlich die amerikanisch-europäisch ausgerichtete Form mit Demokratie und Marktwirtschaft. Und es sei gut, wenn die ganze Welt dieses Modell übernehmen würde.
Immerhin haben die Amerikaner im Irak frei wählen lassen.
Dies haben sie, ja. Was ist danach geschehen? Siebzig Prozent der Bevölkerung im Irak sind Schiiten, die durchaus den Schiiten im Iran nahestehen, wenn es zum Schwur kommt. So haben die Amerikaner heute einen schiitischen Präsidenten und eine schiitische Parlamentsmehrheit. Das ist ihnen alles andere als recht.
Was daran ist für die USA problematisch?
Die Amerikaner pflegen ihre Zwangsvorstellung, daà der schiitische Iran ihr Todfeind sei, seit 1979 der Schah im Iran gestürzt worden ist und die Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft stattgefunden hat. Eine ähnliche Vorstellung haben auch die Israeli. Weshalb, verstehe ich nicht. Denn Israel wird mit der Alternative zu den Schiiten â den Sunniten und Salafisten â auch keine Freunde haben.
Was befürchten die USA ?
Sie befürchten eine durchgehende schiitische Allianz von der Grenze Afghanistans über den Irak, Iran, Syrien bis zur Mittelmeerküste des Libanons. Jetzt wird mit allen Mitteln dagegen gekämpft, daà der schiitische Iran zur beherrschenden Macht in der Region und vielleicht das Zentrum dieser Allianz wird.
Auch hier wieder das Grundmotiv des Kampfs um Ãl?
Der Iran und der Irak verfügen bereits für sich über gewaltige Erdölvorkommen. Und die immensen Ãlvorräte des sunnitisch beherrschten Saudi-Arabiens liegen ausgerechnet in der an Kuweit grenzenden Region â wo die schiitische Minderheit des Landes lebt. Der schiitische Iran als GroÃmacht in dieser Region hätte also einen nahezu monopolitischen Zugriff auf die Erdölvorkommen des Orients. Genau dies wollen die USA mit allen Mitteln verhindern. Ihr Verbündeter dabei ist Saudi-Arabien, das von seinen amerikanischen Verbündeten maÃlos aufgerüstet wurde.
Auf der einen Seite stehen also schiitisch beherrschte Länder wie Iran und der Irak, auf der anderen sunnitisch beherrschte Länder wie Saudi-Arabien. Schiiten und Sunniten sind seit vielen Jahrhunderten verfeindet.
Ja. Diese Feindschaft können Sie sehr gut im Irak erkennen. Unter den Arabern im Irak waren über lange, lange Zeit die Sunniten praktisch vorherrschend. Die Masse der Iraker waren aber immer Schiiten, sie wurden geknechtet und geknebelt. Dies hat sich über die Jahrhunderte kaum verändert. Während der Kolonialzeit haben sich die Briten immer an die Sunniten gehalten, und Saddam Hussein war ebenfalls Sunnit. 1991 hat Saddam Hussein eine massive
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