Die Welt aus den Fugen
Saudi-Arabien, Qatar, der Türkei und den USA stark aufgerüstet werden.
Was befürchten die Alawiten?
Die Alawiten wissen: Bei einem Sieg der radikalen Salafisten und auch der »Muslimbrüder« verlieren sie nicht nur ihre wirtschaftlichen Vorteile und Machtposition, sondern womöglich auch ihr Leben. Ein solcher Sieg könnte für sie ein unglaubliches Gemetzel werden.
Stehen sich denn auch die Sunniten und Alawiten verfeindet gegenüber?
Ich habe vor zwei Jahren die Region von Homs besucht. Dort gibt es streng geteilt alawitische und sunnitische Viertel. Man hatte mich eindringlich vor den SchuÃwechseln zwischen den Vierteln gewarnt. Wie gesagt, dies schon vor zwei Jahren! Saudi-Arabien ist die treibende Kraft hinter der sunnitischen Bewegung. In der syrischen Befreiungsarmee befinden sich viele von Saudi-Arabien ausgebildete Kämpfer und sogar erfahrene Veteranen von El Quaida. Die sunnitischen Provinzen des Irak grenzen unmittelbar an Syrien. Auch von dort kommen freiwillige Kämpfer und Waffen nach Syrien.
Welches Gewicht hat Saudi-Arabien in diesem Kräfteverhältnis?
Ein groÃes! Die Amerikaner haben Saudi-Arabien maÃlos aufgerüstet, wie gesagt. Es wird mit allen Mitteln unterstützt. In der Königsfamilie gibt zur Stunde die proamerikanische Fraktion den Ton an.
Aber?
In Saudi-Arabien findet sich die strengste islamische Ausrichtung. Manche in Europa empören sich darüber, daà Frauen in Saudi-Arabien nicht Auto fahren dürfen. Daà man keine Bibel und kein christliches Kreuz nach Saudi-Arabien bringen darf â davon redet hier niemand. Christlichen Priestern droht in Saudi-Arabien die Verhaftung. Dort arbeitende Christen dürfen keiner Messe beiwohnen. Kein Jude darf nach SaudiArabien einreisen, es sei denn, er heiÃt Henry Kissinger. Andere Muslime, etwa aus der Türkei, distanzieren sich resolut von den in Saudi-Arabien herrschenden Salafisten.
Ist dies im Iran anders?
Im Iran leben ungestört knapp 30000 Juden, die ihre Religion frei ausüben können; Zionisten dürfen sie natürlich nicht sein. Auch Syrien steht uns Europäern näher als Saudi-Arabien. In Syrien braucht sich keine Frau zu verschleiern; Frauen fahren dort Auto und sind in den Städten vergleichsweise emanzipiert. Ãhnlich liberal war Libyen bei den Frauenrechten. Frauen waren an den Hochschulen zahlreicher als Männer. Dies gilt auch teilweise für den Iran. Frauen tragen in Teheran den Tschador am Hinterkopf und schminken sich, auch, um die Mullahs zu provozieren.
Vorhin sprachen Sie von einer durchgehenden schiitischen Allianz, die von Afghanistan bis zum Mittelmeer reicht. Der an Syrien grenzende Libanon müÃte sich dieser Allianz anschlieÃen, damit sie wirklich bis ans Mittelmeer gelangt. Wie wahrscheinlich ist dies?
Der Libanon wird bereits von den Schiiten beherrscht.
Von Schiiten beherrscht â inwiefern?
Die Hizbullah ist eine schiitische Organisation. Und die Hälfte der Libanesen sind heute Schiiten. Sie üben die wirkliche Macht im Libanon aus.
Ist die Hizbullah tatsächlich so einfluÃreich?
Sie hat eine schlagkräftige Partisanenarmee aufgestellt, die vielleicht weltbeste Partisanenarmee. Ich kenne die Leute gut. Bei uns gilt diese Organisation als verbrecherisch, das ist völliger Unsinn. Die Hizbullah geht darauf zurück, daà die dortigen Schiiten jahrhundertelang unterdrückt und verachtet wurden. Seitdem haben sie sich zu einer mächtigen Bewegung zusammengeschlossen. Vor sechs Jahren ist der israelische Angriff auf den Südlibanon wenige Kilometer hinter der Grenze steckengeblieben und am Widerstand der Hizbullah gescheitert.
Wie kam es dazu?
Die Hizbullah hat Waffen entwickelt, mit denen sie den angeblich unverwundbaren Panzern Israels schwere Verluste zufügte. Heute hat sie auÃerdem weitreichende Raketen aus iranischer Produktion in ihren Arsenalen, mit denen sie problemlos Tel Aviv erreichen könnte. Diese Raketen hielt die Hizbullah bislang unter VerschluÃ, um ihre Verbindung zum Iran nicht zu offenbaren. Kommt es zum israelischen Angriff auf den Iran, stehen sie zum Abschuà bereit.
Wie wird es Ihrer Einschätzung nach im arabischen Raum weitergehen? Welche Prognose geben Sie?
Zweifellos steuern wir in Syrien auf einen sehr, sehr blutigen Bürgerkrieg zu. Er wird auf den Irak übergreifen, dort schwelt er ja schon. Bagdad ist längst eingemauert in
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