Die Welt aus den Fugen
allen Mitteln zur Winterzeit sucht. In Washington, aber mehr noch in Berlin fühlt man sich betrogen, ja verraten. Zudem lehnt die deutsche Bevölkerung den Feldzug in Afghanistan mehrheitlich ab.
Sogar im Kreml macht man sich groÃe Sorgen. Dort empfindet das autokratische Regime von Medwedew und Putin Schadenfreude darüber, daà die Amerikaner sich am Hindukusch in einer ähnlich aussichtslosen Situation befinden wie die Sowjetunion vor dreiÃig Jahren. Moskau befürchtet aber, daà eine Machtergreifung extrem islamistischer Kräfte in Kabul auf jene ehemaligen Teilrepubliken der Sowjetunion in Zentralasien übergreifen könnte, die heute noch unter der Fuchtel ehemaliger Kommunisten stehen. In Moskau beschwert man sich auch darüber, daà die US Army in sträflicher Passivität verharrt, während in Afghanistan mehr als neunzig Prozent des weltweiten Opium- und Heroinbedarfs produziert wird und auf Schleichwegen nach RuÃland gelangt. Dort findet bereits eine massive Verseuchung der russischen Jugend durch diese Droge statt.
In den Beziehungen zwischen Washington und Moskau sollte sich die Erkenntnis durchsetzen, daà eine Solidarität der beiden Staaten gegenüber dem revolutionären Islam besteht.
Da die Zufahrtswege in Pakistan von Sprengstoffanschlägen heimgesucht werden, ist man dazu übergegangen, einen groÃen Teil des Nachschubs für die amerikanischen Truppen über den russischen Luftraum und das russische Schienennetz umzuleiten. Wenn jetzt zusätzlich in der kleinen, aber strategisch wichtigen Republik Kirgistan die korrupte Zwangsherrschaft des Präsidenten Bakijew durch einen blutigen Aufstand der entfesselten Massen weggefegt wird, bangen die ehemaligen Gegner des Kalten Krieges gemeinsam um die prekäre Stabilität in der gesamten zentralasiatischen Region.
Die europäische Krise
17. 05. 2010
Im Euro-Land geht die Angst vor der Inflation um. Vor allem in Deutschland, das in dieser Beziehung über schreckliche ÂErinnerungen verfügt, grenzt die Befürchtung an Panik. Die miserable Stimmung wird vor allem durch eine Presse anÂgeheizt, die stets dazu neigte, Katastrophen heraufzubeschwören. Gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel richten sich neuerdings schwere Vorwürfe. Noch unlängst wurde sie als standhafte »Mutti im Sturm« verehrt. Hatte man sie als »Eiserne Lady« auf den Sockel gehoben, so variieren jetzt die böswilligen Kritiken zwischen der Bezeichnung »Madame No«, »Madame Oui« und sogar »Madame Zéro«. Tatsächlich hat sich die deutsche Regierungschefin in der Finanzkrise ÂEuropas sehr zögerlich und widersprüchlich verhalten. Bei den jüngsten Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen muÃte sie eine schwere Schlappe einstecken. Die Koalition mit der liberalen FDP des dilettantischen AuÃenministers Guido ÂWesterwelle befindet sich seit ihrer Gründung im Zustand der Lähmung. Wenn die unsinnige Forderung der freien DemokraÂten auf massive Steuersenkung zum Zeitpunkt eines abgrundtiefen Haushaltsdefizits auch abgewehrt scheint, so verhindern die Liberalen doch weiterhin jene rigorosen Bankenkontrollen, die von den meisten Deutschen herbeigesehnt werden.
Hinter der maÃlosen Kampagne gegen die Eurowährung ist ein Ãberdruà an der europäischen Einigung zu erkennen. Schon spricht man verächtlich von den mediterranen und romanischen Ländern, die sich der germanischen Disziplinierung widersetzen und geradezu inkompatibel erscheinen mit den deutschen Tugenden. Als ob GroÃbritannien so viel besser dran wäre als das vielgeschmähte Italien. Und als ob die USA noch als Modell für die Europäer dienen könnten. Die Verschuldung der USA gegenüber der Volksrepublik China beträgt mehr als zwei Billionen Dollar. Man kann sich gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn Peking diese gewaltigen Guthaben auf den internationalen Markt würfe. Noch ist es auch im Interesse Chinas, die enge finanzielle Verquickung beizubehalten. Auch die Deutschen sollten sich bewuÃt sein, daà mehr als sechzig Prozent ihrer Ausfuhren im Raum der Europäischen Union Käufer finden und daà eine Abkehr vom kontinentalen Einigungsprozeà bittere Einschnitte zur Folge hätte. Es war bezeichnend, daà sich Angela Merkel zur Feier des Sieges der Sowjetunion über Deutschland im Zweiten Weltkrieg auf der Ehrentribüne
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