Die Welt aus den Fugen
des Lenin-Mausoleums von Moskau an der Seite des russischen Ministerpräsidenten Putin zur Schau stellte und die Parade der triumphierenden Roten Armee abnahm.
Geradezu verhängnisvoll wirkte sich aus, daà Merkel in Moskau feierte, während sich ihre Amtskollegen Nicolas Sarkozy, Silvio Berlusconi und Jean-Claude Juncker in Brüssel auf ein erdrückendes finanzielles Rettungspaket einigten. Nicht nur die Kanzlerin neigt dazu, heute einen deutschen Alleingang zu predigen. Gewisse gezielte Medienkommentare schlagen geradezu deutsch-nationale Töne an â als ob die nostalgisch verklärte D-Mark den massiven Manipulationen der amerikanischen GroÃbanken erfolgreicher widerstanden hätte als der Euro. Dessen Schwäche gegenüber der amerikanischen Währung wird stark übertrieben, hat in früheren Jahren doch eine weit ungünstigere Kräfterelation vorgeherrscht. So lange ist es noch nicht her, daà die deutsche Wirtschaft ein groÃes Lamento anstimmte, weil der Euro sich einem Wechselkurs von 1.50 US-Dollar näherte und die lebenswichtige deutsche Exportwirtschaft durch die radikale Verteuerung ihrer Produkte ins Hintertreffen zu geraten drohte.
Natürlich war es ein Fehler, die Europäische Union und auch die Euro-Zone über Gebühr auszudehnen und hemmungslos neue, dubiose Kandidaten aufzunehmen. Aber die Verantwortung dafür tragen diejenigen, die heute die schärfste Europakritik anstimmen. Seit Merkel in Berlin und Sarkozy in Paris das Sagen haben, ist leider jene unentbehrliche Achse abhanden gekommen, die sich früher bewährte. In Berlin sollte sich der Bundestag bewuÃt sein, daà die Beliebtheit und das Vertrauen, das die Deutschen in den letzten Jahrzehnten bei ihren Nachbarn genossen, schnell zu Bruch gehen könnten, falls Germanien wieder der Versuchung erläge, die Muskeln spielen zu lassen. »Der Alptraum der Allianzen«, der den greisen Reichskanzler von Bismarck heimsuchte, könnte dann sehr schnell Aktualität gewinnen.
»Geblendet in Gaza«
14. 06. 2010
Gaza ist gewià nicht Auschwitz, wie gelegentlich die Freunde Israels betonen. Doch Gaza, dieser winzige Fetzen Land, auf dem 1,5 Millionen Palästinenser zusammengepfercht leben müssen, ist schlimm genug. Wir wollen hier nicht den schockierenden Zwischenfall erörtern, dem eine Gruppe europäischer Friedensaktivisten ausgesetzt war, als Israels Marine ihre Kommandos ausschickte, um deren Schiffe zu kapern. Auf Dauer hat hier das Prestige des Zionismus schweren Schaden erlitten. Der Staat Israel, mögen viele westliche Medien auch bedingungslos seine Partei ergreifen, gerät in eine zutiefst bedrohliche Isolation. Präsident Obama erweist sich als seltsam gelähmt, auch wenn er sich längst vom militanten Zionismus distanziert hat, zu dem sich sein Vorgänger George W. Bush bekannte.
GewiÃ, der Judenstaat bleibt weiterhin â verglichen mit seiner Umgebung â ein prosperierendes Wirtschaftswunder. Und seine Armee wird auch in Zukunft in der Lage sein, die Streitkräfte der arabischen Nachbarn in offener Feldschlacht zu vernichten. Doch der konventionelle Krieg gehört der Vergangenheit an. In den letzten Jahrzehnten haben die Weltmächte die bittere Erfahrung gemacht, daà man dem sporadisch aufflackernden Partisanenkampf von todgeweihten »Gotteskriegern« auch mit den perfektioniertesten Methoden klassischer Strategie nicht beikommen kann. Im Jahre 2006, als der israelische Generalstab zum tödlichen Schlag gegen die schiitische Hizbullah-Miliz im Südlibanon ausholen wollte, machte die israelische Armee eine neue Erfahrung. Nämlich die, daà sie durch den Einsatz panzerbrechender Waffen keine Entscheidung erzwingen konnte.
In Jerusalem verschlieÃt man sich der Erkenntnis, daà nicht der Terrorismus palästinensischer Selbstmordattentäter die wirkliche Gefahr für Israel darstellt, sondern die rasant wachsende Bevölkerung in den angrenzenden arabischen Territorien. Die Betonmauer, die streckenweise acht Meter hochragt und die autonomen Gebiete auf dem Westufer des Jordans einzwängt, hat sich zwar als vorläufige Abwehr von Bombenanschlägen als relativ wirksam erwiesen. Aber die jüdischen Wehrexperten sind klug genug, zu erkennen, daà sie durch diese Abschirmung auf Dauer in eine fatale Defensivposition gedrängt werden.
Es war der Diplomatie Israels gelungen,
Weitere Kostenlose Bücher