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Die Welt aus den Fugen

Die Welt aus den Fugen

Titel: Die Welt aus den Fugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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das amerikanischen oder israelischen Luftangriffen widerstehen könnte.
    Mit der Sperrung der Straße von Hormuz am Ausgang des Persischen Golfes würde der Iran über die Möglichkeit verfügen, die Weltversorgung durch Petroleum ernsthaft in Frage zu stellen. Im Westen wird immer wieder behauptet, die Islamische Republik Iran sei der große Brandstifter im Orient, und auch andere stehen ziemlich ratlos vor den Rätseln, die das Regime von Teheran zweifellos aufgibt. Aber eines ist sicher: Als der Iran des Ayatollah Khomeini von Saddam Hussein angegriffen wurde, hat der Imam auf den Bau einer Atombombe verzichtet. Und es gibt auch eine Fatwa von höchster geistlicher Autorität, die besagt, daß die Atombombe unislamisch ist. Andere mögen hingegen denken, daß der Iran, der umgeben ist von mehr oder weniger feindseligen Staaten und Armeen, die über die Atombombe verfügen, seinerseits über ein nukleares Abschreckungspotential verfügen müßte. Der ganze Orient bewegt sich in Richtung auf einen Zustand von Chaos und Anarchie. Man denke nur an den Irak, wo nichts geregelt ist. Oder an Afghanistan, das am Rande des Abgrunds steht. Oder auch an Pakistan und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion in Zentralasien. In diesem Umfeld erscheint die schiitische Republik Iran als ein Element der Stabilität, auf das man eines Tages vielleicht zurückgreifen muß, um eine Konsolidierung der ganzen Region zu erreichen. Aber um das zu erkennen, ist der Westen noch nicht reif.
    Präsident Ahmadinejad ist in den Südlibanon aufgebrochen. Dort findet er bei den todesbereiten Kämpfern der schiitischen Hizbullah einen Verbündeten von besonderer Bedeutung vor. Die unmittelbare Nachbarschaft zu Israel, dessen Armee von der Hizbullah aus dem Südlibanon gezwungen wurde, heizt die allgemeine Gefahrensituation an. Der triumphale Empfang, der ihm in Bint Jbeil zuteil wurde, dürfte in Jerusalem und Tel Aviv böse Ahnungen geweckt haben.
    Gehört Ahmadinejad jener schiitischen Sekte an, der Hodschatiye, die sich in Endzeitstimmung auf das messianische Erscheinen des Zwölften Imam und seines Reichs der Gerechtigkeit vorbereitet? Vor den Kuppeln der Moschee von Jamkaran sammeln sich die Anhänger dieser Bewegung, die man mit gewissen Evangelikalen Amerikas vergleichen kann. Die Masse der Iraner befindet sich nicht mehr in einem Taumel der Religiosität. Die Frage stellt sich heute, inwieweit diese schleichende Verweltlichung Auswirkungen auf den benachbarten Irak haben kann, wo weite Teile der Bevölkerung dem Kult des Verborgenen Imam noch näher stehen als die Perser.
    Das Heiligtum von Samara, das von den Schiiten besonders verehrt wird, weil dort der Zwölfte Imam el Mehdi der Legende gemäß seinen Häschern entkam, wurde im Jahr 2006 durch einen Anschlag sunnitischer Sektierer gesprengt. Dadurch wurde ein konfessioneller Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Sunniten ausgelöst, der unzählige Opfer forderte. Damals flüchteten die Angehörigen der jeweiligen Konfessionen in abgetrennte, stark betonierte Refugien, und der Irak stand am Rande des Abgrundes. Der amerikanische General Petraeus glaubte damals, das Schlimmste verhindert zu haben, indem er die sogenannte Surge, die Verstärkung der US-Streitkräfte um 30 000 Mann anordnete.
    In Wirklichkeit nahm das Toben des mörderischen Wahnsinns ab, als die sunnitischen Stammesführer erkannten, daß der Abzug der Amerikaner aus dem Irak nur noch eine Frage von höchstens drei Jahren sein würde, während sie auf alle Zeiten dazu verurteilt wären, unter der Herrschaft der verhaßten schiitischen Mehrheit zu leben. So kam es zu einer Hinwendung der sunnitischen Partisanenverbände zur amerikanischen Besatzungsmacht, die sie vorher heftig bekämpft hatten. Das US-Commando seinerseits versuchte, mit seinen sogenannten Erweckungskomitees die sunnitischen Kampfverbände so zu stärken, daß sie den Schiiten Widerstand leisten könnten und damit auch dem drohenden Einfluß des schiitischen Iran auf Mesopotamien Einhalt geböten.
    Am Grab des Imam Hussein
    In der Pilgerstadt Kerbela, wo die glühend verehrte Heldengestalt der Schiiten, der Imam Hussein unter einer goldenen Kuppel begraben ist, haben wir versucht, die wahren Absichten der dortigen hohen schiitischen Geistlichkeit, die das Khomeini- Modell weitgehend ablehnen, zu ergründen. Pilgergruppen aus Iran

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