Die Weltenwanderer
nicht länger allein zu sein. Doch glaub mir mal, die große oder auch ganz große Angst kommt wieder. Das geht hier schnell.«
Holly schnitt ihm eine Grimasse. »Nett, dass du mich trösten willst!«
»Ja, so bin ich nun mal: immer gern zu Diensten!«
Wachsam gingen sie durch einen düsteren Felsentunnel.
Es wurde merklich kälter. Schon nach wenigen Minuten standen sie vor einer massiven Holztür, in die die Konturen eines gehörnten Drachen eingebrannt waren. Unschlüssig verharrten sie davor.
Lennart rieb ich nachdenklich das Kinn und seufzte auf.
»Wir sollten sie öffnen, wenn wir weiter wollen«, erklärte Holly mit belegter Stimme.
»Das sollten wir unbedingt«, stimmte Erik zu, doch keiner machte Anstalten, diese Überlegung auch in die Tat umzusetzen.
»Sollen wir losen?«, fragte Adrian.
Ausgerechnet Anna drängte sich entschlossen an ihnen vorbei. »Pah! Mir ist längst alles so was von egal. Ich will da sofort rein.«
Mit diesen Worten stieß sie die Tür energisch auf und trat vor ihren Kameraden ein.
Beeindruckt sahen sie sich um. Sie mussten sich im Zentrum des Berges befinden. Die Höhle war riesig, eher noch gewaltig, und hatte in etwa die Form einer Pyramide. Durch eine Öffnung in der Spitze fiel Außenlicht in den Raum und beschien eine Plattform, auf der eine Art Altar stand. Ein Sockel, der zur Gänze aus den rot schimmernden Kristallen bestand, beherbergte eine vielleicht einen Meter hohe, gläserne oder eisige Drachenfigur. Im Körper des Drachen befand sich eine rötliche Masse von der Größe eines Fußballs.
Was den Blick der Jugendlichen aber am meisten anzog, war der schwarz glänzende Stein, den eine Klaue umschloss.
»Ich denke, wir haben den Schutzstein gefunden«, erklärte Lennart müde.
Erik nickte frustriert. »War nicht schwierig.«
»Viel einfacher, als ich dachte«, stimmte Adrian zu.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Holly leise.
Anna sackte sichtbar in sich zusammen und beschwerte sich mit versagender Stimme: »Das ist nicht fair.«
Trübsinnig sahen sie alle in den Krater, der die Drachenplattform umgab. Er musste unendlich tief sein, jedenfalls war kein Grund zu sehen, und er war schätzungsweise zehn Meter breit. Es gab nicht eine einzige Verbindung zwischen Außenrand und innerem Hügel.
Nacheinander ließen sie sich auf dem Boden nieder. Jeder Einzelne spürte plötzlich seine Erschöpfung und seine schmerzenden Glieder.
»Wir müssten eine Brücke bauen. Ich weiß nur nicht womit«, durchbrach Holly irgendwann die Stille.
Erneut schwiegen sie.
»Könnte ein Seil uns nützen?«, fragte Anna nach einigen Minuten stirnrunzelnd.
»Unter Umständen! Wenn wir es irgendwie um die Statue bekommen, um sie zu uns rüber zu ziehen«, überlegte Lennart laut.
Erik verzog das Gesicht. »Ziemlich unwahrscheinlich, dass das klappt.«
»Wie wahrscheinlich war es denn, dass einer von uns eine brüchige Stelle im Labyrinth findet? Wir können jetzt unverrichteter Dinge gehen, oder wir versuchen irgendetwas«, erwiderte sein Trainer. »Nur, woraus machen wir ein Seil?«
»Aus unseren Jacken«, schlug Anna prompt vor. »Der Stoff kommt von Rhanmarú und ist enorm reißfest. Wir könnten ihn zerschneiden. Das geht sogar mit unseren Zierschwertern. Wir schneiden ganz schmale Streifen und flechten die zum Zopf zusammen. So wird das Seil haltbarer.«
»Haben wir dafür genug Stoff?«, fragte Erik.
Sie nickte. »Wir müssen nur wirklich dünne Streifen schneiden. Dann müsste es reichen. Notfalls opfert ihr Jungs eben noch die Hosen.«
»Das hättest du wohl gern«, versetzte Adrian brummig.
Sie zogen bereits ihre Jacken aus, und Erik stellte fest, dass es erleichterte, etwas zu tun zu haben. An einen Erfolg ihres Vorhabens konnte er zwar nach wie vor nicht glauben, aber zumindest lenkte die Beschäftigung ab.
Die Jungen schnitten die Uniformen auseinander. Da diese aus drei Schichten Stoff bestand, kamen tatsächlich jede Menge Streifen zusammen. Die Mädchen flochten das Material sorgfältig zu Zöpfen, wobei sie immer wieder die Reißfestigkeit prüften.
Es war eine zeitaufwendige Arbeit, aber Meter für Meter Seil kringelte sich nach und nach zu ihren Füßen. Von Zeit zu Zeit maß Lennart ihr Werk grob nach.
»Wenn wir die Drachenfigur zu uns rüber ziehen, und sie geht dabei kaputt – was machen wir dann?«, fragte Anna ihn im Plauderton und knüpfte unverdrossen weiter.
»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, oder?«, fragte er zurück. »Mädels, ihr
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