Die Weltenwanderer
... Scheiße, hier war ich schon mal!«
Frustriert starrte er auf ein Kreuz. Dann stellten sich ihm sämtliche Haare an den Armen auf. Er hatte das Gefühl, eine eiskalte Hand hätte ihn berührt. Direkt neben dem Kreuz befand sich ein zweites. Er hatte nicht zwei Zeichen so dicht nebeneinander gemacht. Da war er sich ziemlich sicher. Seine Freunde konnten es auch nicht gewesen sein. Die hätten bestimmt nicht blöd ein zweites Kreuz in die Wand geritzt und wären einfach weitergegangen.
Er taumelte rückwärts gegen die Stollenwand und starrte auf die Kreuze. Minutenlang stand er regungslos da, gefangen in einer lähmenden Furcht. Schweiß tropfte ihm in die Augen. Er bekam kaum noch mit, dass er langsam an der Wand nach unten glitt und einschlief.
Er sah Quinn durch die Gänge schleichen, torkeln und zusammenbrechen. Die gelben Wände lösten sich auf, lange Flure wurden sichtbar. Flammen schlugen ihm entgegen, verwandelten alles in ein einziges Feuermeer. Aus der Feuersbrunst kam ein Mann direkt auf ihn zu. Seine Kleider rauchten. Das Gesicht war verschwitzt und blutverschmiert. »Komm zu mir, Eirik! Komm zu mir! Ich warte auf dich. Ich kann dich nicht erreichen, nur in deinen Träumen und Gedanken. Du musst mir helfen, Eirik. Komm zu mir!« Der Fremde lächelte ihn an, nahm seine Hände und blickte ihm tief in die Augen. Erik sah darin lodernde Flammen, er sah das Herrenhaus brennen und er sah ganz deutlich den lachenden Brandstifter: Marcks, Oberster Bote der Rhan!
Der Fremde bewegte lautlos die Lippen. Dann entfernte er sich, schien fort zu schweben, wie von unsichtbarer Macht gezogen. »Eirik, du schaffst es. Nur Mut! Ich warte auf dich.«
Erik erkannte die drängende Stimme aus seinen Träumen und antwortete, ohne zu zögern: »Ja, Vater, ich schaffe es und ich werde dich finden.«
Mit einem Ruck fuhr er in die Höhe. Noch benommen sah er sich um. Gelbe Wände, schwarze Bretter! Er hörte das eintönige Plitsch ... Platsch.
»Ich werde dich finden, Vater. Sobald ich wieder auf der Erde bin, beginne ich die Suche«, murmelte er und mühte sich auf die Füße. Ein paar Sekunden starrte er auf die beiden Kreuze. Schließlich schüttelte er sich.
Er brüllte laut, wenn auch krächzend, durch den Gang: »Nein, so nicht! Du willst mir Angst machen, Drachenmann? Ha, dass ich nicht lache. Nicht mit mir! Ich bin viel rumgekommen. Was glaubst du, was ich da alles erlebt habe? Satanisten, Gruftis, Neonazis und noch viel mehr Bekloppte! Du würdest da gar nicht weiter auffallen. Auf der Kirmes lernt man schnell, mit Gefahren aller Art zu leben. War längere Zeit im Ruhrgebiet. Hab sogar mal mit einem Bochum-Schal in der Schalke-Kurve gestanden. Das sagt dir nichts? Sei froh! Jedenfalls solltest du wissen, dass mich danach kaum noch etwas schrecken kann, außer vielleicht mit einer Dortmund-Fahne in der Schalke-Kurve zu stehen. Stollen machen mir auch keine Angst. Die gibt’s auf der Erde nämlich hundertfach. Nur können wir sie besser bauen, weil unsere Kumpel was davon verstehen. Bei uns tropft kein Wasser aus den Decken. Ich geh jetzt weiter. Falls du Kreuze ritzen willst, ich geh nun links herum. Damit wir Abwechslung haben, male ich nun Kreise.«
Entschlossen stapfte er los. Er versuchte, seine schmerzenden Beine, seine zitternden Hände und seine Furcht zu ignorieren, und schritt weit aus. Energisch rammte er von Zeit zu Zeit sein Schwert in die Wand, um einen Kreis zu ziehen.
Plötzlich stutzte er. Der Lehm war an dieser Stelle ausgesprochen nachgiebig. Erik drückte. Die Klinge verschwand widerstandslos in der Wand. Er steckte das Schwert weg, griff mit der Hand zu und glaubte, in Gelee zu fassen. Nach wenigen Zentimetern spürte er Luft an den Fingern. Er zog die Hand zurück, schaute verzweifelt um sich herum. Erneut leckte er sich die Lippen.
»Oh, je, oh, je! Das kann was werden«, murmelte er, atmete tief durch, schloss die Augen und ging durch die Wand.
Es gab einen ohrenbetäubenden Knall und einen gewaltigen Sog.
Erik konnte sich nicht auf den Füßen halten. Er schlidderte auf dem Hosenboden rückwärts immer weiter. Hektisch versuchte er, sich irgendwo festzukrallen, fand aber keinen Halt. Alles schien sich aufzulösen. Gallertartige Fetzen flogen ihm um die Ohren, klatschten ihm ins Gesicht. Es klang, als tobte ein Orkan. Wie eine Stoffpuppe wurde er in einem Wirbel herum geschleudert, bevor ihn ein neuer Sog erfasste und weiter riss. Seine Schreie wurden als Echo zurückgeworfen. In
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