Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann
das Wohngebiet von zehn israelischen
Stämmen, erklärte seine Unabhängigkeit. Ein zweites jüdisches Königreich erschien auf der Landkarte. Jerobeam, der nicht aus
der Davidsfamilie stammte, wurde sein erster König. Als Hauptstadt wählte er Samaria. Er befestigte die Stadt und errichtete
verschiedene Tempel, in denen Israels Hausgott Jahwe in der Gestalt von Stiergottheiten zusammen mit anderen Göttinnen und
Göttern verehrt wurde.
Eine verhängnisvolle Entwicklung bahnte sich an. Während der nächsten 240 Jahre regierten in Samaria 19 verschiedene Könige,
einer schlechter als der andere, so sieht es die Bibel. In jenen turbulenten Zeiten traten die ersten Propheten Israels auf,
deren Worte uns schriftlich erhalten sind. Hosea dringt auf die Rückkehr zum Wüsten-Glauben und warnt als Bote Jahwes die
Herrscher Samarias: »Sie haben Könige eingesetzt, doch ohne meinen Willen, haben sich Fürsten erwählt, von denen ich nichts
wissen will.« Und Gott Jahwe spricht weiter: »Ich verschmähe deine Kalbsbilder Samaria, mein Zorn entbrennt wider sie. Die
Wind säen, werden Sturm ernten!« Später tritt Amos in Hoseas Fußstapfen: »Hört dies, die ihr die Armen tretet, die Unterdrückten
im Land aushungert: Geschworen hat Jahwe bei seinem Dasein: Niemals vergesse ich all ihre Taten!« Israels Gott hat die Macht,
er führt zur Strafe das mächtige Assyrien aus dem Zweistromland gegen Israels Nordstaat. Im Jahr 720 vor unserer Zeit fällt
Samaria, die Zehn Stämme werden vertrieben, Nicht-Juden strömen ins Land und werden dort sesshaft. Die Stämme Israels verschwinden
im Treibsand der Geschichte, sie sind nie wieder ins Gelobte Land zurückgekehrt.
Der Südstaat im kargen, unwirtlichen Bergland von Jerusalem hatte mehr Glück mit seinen Königen. Aber auch hier formierte
sich die prophetische Opposition. Die Namen der großen Propheten Jerusalems lauten Micha, Jesaja, Jeremia und Hesekiel. Viele
ihrer Worte sind uns bis heute in der Bibel erhalten.
Sie alle dringen auf die Reinhaltung des Tempels vom Götzendienst, fordern das Recht der Armen, Witwen und Waisen ein, opponieren
gegen die Allüren der judäischen Herrscher. Nur zwei von ihnen stellt die Bibel ein gutes Zeugnis aus. Einer ist Hiskia, der
14. Nachfolger Davids: »Unter allen Königen von Juda war keiner seinesgleichen. Denn er hing Jahwe an und ließ nicht von ihm.«
Der andere große Herrscher war Josia. Zur Reinerhaltung des Jahweglaubens ließ er alle im Land verstreuten Heiligtümer verwüsten
und konzentrierte den Gottesdienst ausschließlich auf den Tempel Salomos. Als er starb, »trugen ganz Juda und Jerusalem Trauer
um Josia«.
|87| Der winzige Südstaat Israels hielt sich 134 Jahre länger als das nördliche Königreich. Doch dann war auch seine Stunde gekommen.
Im Jahr 586 vor unserer Zeit erlag Jerusalem nach zwei Jahren Belagerung der brutalen Macht des Babylonischen Reiches. Stadt
und Tempel gingen in Flammen auf. Die Königschronik Nebukadnezars berichtet: »Am zweiten Tag des Monats Addar, in seinem siebten
Jahr (16. März 587 vor unserer Zeit), nahm er die Stadt Judas ein, die er belagert hatte. Er nahm ihren König gefangen und
setzte einen König seiner Wahl ein. Er nahm viel Beute und schickte sie nach Babel.« Davids hochfliegende Reichsträume endeten
in einem blutigen Albtraum. Die Erinnerung an Jerusalems Untergang brannte sich tief in das Gedächtnis der nachfolgenden Jahrhunderte
und Jahrtausende ein.
Noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts schildert ein Geschichtsschreiber das Massaker mit beredten Worten: »Der wütende Sieger
zerstörte und verbrannte Jerusalem und Salomos prächtigen Tempel bis auf den Grund, schleifte alle Mauern, Türme und Befestigungsanlagen,
verwüstete die ganze umliegende Gegend mit Feuer und Schwert und führte viele Tausende mit allen Kostbarkeiten und Schätzen
des Heiligtums und der Paläste nach Babel; dem gefangenen König, Zedekia, ließ er die Augen ausstechen, ließ ihn in eherne
Fesseln werfen und im Gefängnis des elendesten Todes sterben – und machte so dem letzten Überreste der judäischen Monarchie
ein schreckliches Ende.« Sogar der »Thron Jahwes«, die Truhe mit den Steintafeln vom Sinai, ging in den Wirren verloren. Wurde
sie von den Eroberern geraubt und nach Babylonien entführt? Oder hatten die Priester sie in Sicherheit bringen können? Vielleicht
in den Geheimgängen des Tempelbergs? Befindet sich das
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