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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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begegnet seinem Blick mit einem unsicheren Lächeln, aus dem erst vor kurzem das schelmische Zwölfjährigengrinsen verbannt wurde.
    »Der bin ich.«
    Eine Welle der Melancholie erfasst ihn und verdunkelt den hellen Morgen. Woher kommen diese negativen Gefühle? Sollte er sich nicht für sie freuen?
    »Herzlichen Glückwunsch.«
    »Danke, Sergej. Du musst mir auch gratulieren zu Erfolg von Visumsantrag.«
    »Herzlichen Glückwunsch, Göttin. Das heißt, du kehrst in nächster Zeit nicht nach Shy ... nach Hause zurück?«
    »Hier ist besser Geldmöglichkeit. Außerdem bin ich jetzt große Anglo-viele. Queenlizabeth fishanchip cuppa tea Royal Navy Witcliff von Dover. Ich bewerbe mich für britische Pass.«
    Er hat sie noch nie so gerührt gesehen.
    »Du hast also keine Lust auf Brasilien?«
    »Brasilien?« Sie lacht. »Wofür, Sergej? In Brasilien wohnen primitive Leute. Übrigens haben wir interessante Situation hier. Deine Kooperation ist wichtig bei neue Marktstrategie für Morgenluft. Wir reden heute Nachmittag.«
    Sie entlässt ihn mit einer halben Stuhldrehung und greift wieder nach dem Telefon.»Wie steht’s?«, fragt er die Franzosen, die sauer und beleidigt aussehen, auf ihre elegante gallische Art. Sie zucken die schmalen Schultern unter dem erstklassigen Tuch ihrer Jacketts und antworten leise mit Blick auf den Glaskasten: »C’est un peu emmerdant ...«
    »... avec mademoiselle. Elle est ...«
    »Dites-le. C’est un monstre. Comme la Méduse ...«
    Er durchforstet sein Urlaubsfranzösisch. »Äh ... Qualle?« Das Stichwort »Qualle« wäre ihm im Zusammenhang mit Maroushka nicht in den Sinn gekommen.
    »Gorgone.«
    » So schlimm kann sie doch nicht sein.«
    »Du wirst sehen.«
    »Was ist mit ...« Er zeigt auf den leeren Stuhl, auf dem der Hamburger gesessen hat.
    »Er ’at sich gekündigt.«
    »Ihn fehlt die Courage.«
    »Wie geht’s?«, fragt er Lucie und Tootie.
    »Nicht schlecht so weit«, sagt Lucie. »Es gab ein paar personelle Verluste, aber was soll’s – keep smiling, oder?«
    »Du schon«, sagt Tootie durch die Nase. »Ich bewerbe mich anderswo.«
    »Wie ist das passiert – ich meine, dass Maroushka auf dem Chefsessel gelandet ist? Ich dachte, es gab vielversprechendere Kandidaten ...«
    »Genau. Eben wischt sie noch das Büro, im nächsten Moment sitzt sie auf dem Chefsessel. Da kommt man doch ins Grübeln, oder?«
    »Wenn du es so siehst. Aber ...«
    »Entweder weiß sie was, oder sie hat sich flachlegen lassen. Fällt dir eine andere Erklärung ein?« Fast spuckt er Galle, und Serge denkt, ganz gleich, wie schlimm Maroushka sein wird, Toby wäre bestimmt noch schlimmer gewesen.
    »Was ist mit Chicken?«
    »Reizend wie immer. Auch wenn er sich neuerdings hauptsächlich in der Downing Street aufhält.«
    »Wirklich?«
    »Anscheinend ist er Ratgeber dort und erklärt ihnen, wie sie die Finanzkrise lösen können.«
    »Donnerwetter.«
    »Genau. Und du passt besser auf, Freebie, denn jetzt, wo er den Stein der Weisen gefunden hat, braucht er uns Quants nicht mehr, um für ihn das Risiko zu eliminieren.«
    »Wie meinst du das? Welchen Stein?«
    »Stell dir mal vor, du spielst in einem Casino, Freebie, und alles, was du gewinnst, behältst du. Und immer wenn du verlierst, kommt so ein gutmütiger Esel namens Joe Steuerzahler mit einem Sack Gold angelaufen und zahlt deine Schulden.«
    Serge spürt ein Ziehen in der Kehle, wie wenn man versucht, gegen den Brechreiz anzukämpfen.
    »Unbegrenzter Gewinn?«
    »Genau. Er muss nur dafür sorgen, dass die Regierung kuscht, indem er ihnen Angst einjagt.« Tootie wirft einen Blick zur Tür. »Wenn man vom Teufel spricht ...«
    Selbst hier hinten spürt Serge die doppelte Luftverpuffung – pfft, pfft –, als die Tür aufschwingt und Chicken in den Handelsraum speit. Er scheint zugenommen zu haben; zum ersten Mal fällt Serge der Bauch über dem Gürtel auf; eins der Hosenbeine ist an der Socke hängen geblieben und entblößt eine muskulöse Wade, die im Stiefel verschwindet, und Serge kann eindeutig erkennen, dass die Sohle am Absatz verstärkt ist. Von der Seite erinnert Chicken tatsächlich an ein grotesk in die Länge gezogenes Huhn.
    »Freebie! Schön, dich wieder hier zu sehen! Wie geht’s der Nase?« Er stützt sich mit den Fäusten auf den Tisch und legt den Kopf schief, um einen Blick in Serges Nasenlöcher zu werfen. »Joachim sagte, du hattest auch Verdauungsprobleme.Musstest dauernd aufs Klo und so. Das hättest du sagen sollen.«
    Es

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