Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
Vom Netzwerk:
Blassgrün und um den Hals eine Kette mit silbernen Kugeln. Auf dem Weg zu ihrem Glaskasten bleibt sie kurz an seinem Schreibtisch stehen, um zu fragen: »Alles normal?«
    Soll er sie nach dem Château d’Yquem fragen? Nein, das wäre der ultimative Gesichtsverlust. Er wird es mit dem Restaurant klären oder die Jungs auffordern, ihren Teil beizusteuern.
    Doch im Restaurant kann er erst anrufen, wenn er in der Mittagspause kurz rauskommt. Es sei denn ... Die Behindertentoilette ist der einzige Raum auf dem Stockwerk, den man von innen abschließen kann, und angeblich ist sie eine Höhle des verbotenen Sex und heimlicher Telefongespräche mit Headhuntern. Unauffällig verlässt er seinen Platz und wartet ab, bis die Luft rein ist, dann schleicht er sich in die Kabine, schließt hinter sich ab und nimmt das Telefon heraus. Es ist heiß undstickig hier, und es stinkt nach Chlor, Urin und ... was ist das? Ein vertrauter Geruch kitzelt seine Nase, ein vertrauter Geruch, der in einen anderen Zusammenhang gehört. Er konzentriert sich auf die Komponenten. Benzol. Anis.
    Er findet keine Website des Restaurants, also muss er die Auskunft anrufen. Als er endlich die Nummer hat, klingelt und klingelt es, und er will gerade auflegen, als sich eine schlecht gelaunte Frauenstimme meldet: »Ja?«
    Er verlangt nach dem Manager.
    Die Frau sagt: »Wenn Sie das beschissene Poire-d’Or wollen, haben Sie die falsche Nummer. Sie sind heute schon der Vierte, und unter uns, ich würde da sowieso nicht hingehen, weil das Essen scheiße ist und sie einen ausnehmen wie eine Weihnachtsgans.«
    »Tut mir leid, Miss. Sie müssen ja nicht gleich laut werden.«
    »Leck mich am Arsch.«
    Die Leitung ist tot.
    Er sieht sich die Rechnung noch mal an. Irgendwas an der Zahl kommt ihm merkwürdig vor – £ 13 107,01. Der eine Penny am Ende – wo kommt der her? Auf der Karte war nichts, das mit einem Penny geendet hat, im Gegenteil, die Preise waren alle Vielfache von £ 20, sogar das Wasser. Es kann auch nicht der Prozentsatz für den Service sein. Es kommt ihm eher so vor, als hätte sich jemand die Zahl ausgedacht, mit ein paar Pennys am Ende, um exakt zu klingen. Nein, er hat die Zahl irgendwo schon mal gesehen. Er starrt sie an: Wenn man den Penny einfach dranhängt, steht da 131071. Ist das nicht die sechste Mersenne-Primzahl? M p = 2 p -1, wobei p eine Primzahl ist, in diesem Fall 17? Ja!
    Ein Zufall? Ein Muster?
    Im Handelsraum ist es inzwischen lauter geworden, die Trader kommen in Gang. Ringsum wird mit phänomenaler Geschwindigkeit Geld gemacht – für einen dicken Batzen davon ist erselbst verantwortlich. Diese Typen sind nicht schlauer als er, wahrscheinlich würden sie nicht mal eine Mersenne-Primzahl erkennen, und trotzdem scheffeln sie Geld. Die Quants handeln normalerweise nicht, auch wenn manche Manager, Timo Jääskeläinen zum Beispiel, zweigleisig fahren. Er hat oft neben Timo gesessen und dem Tanz der Daten zugesehen, wenn sie versuchten, die Zahlen in einen Algorithmus zu spannen. Timo ist ein fähiger Typ, aber keine Rakete. Es wird gemunkelt, dass es Timo war, der Maroushka »entdeckt« hat, als er eines Nachts über einem Algorithmus brütete, während sie um seinen Schreibtisch herum staubsaugte. Sie zeigte ihm den Fehler, dann staubsaugte sie weiter. Wenn Timo durch Handeln Geld verdienen kann, kann Serge es auch. Dann könnte er sich den ganzen Ärger sparen, indem er die Rechnung erst mal selbst bezahlt, und falls das Restaurant nichts ausspuckt, holt er es sich von den anderen zurück.
    Nicht zum ersten Mal denkt er daran, ein bisschen Handel in eigener Sache zu treiben. Als er die Anzahlung für seine Wohnung leisten musste, hat er angefangen, sich die Unternehmen um Doncaster näher anzusehen, zum Teil aus Sentimentalität, zum Teil weil er denkt, Ortskenntnis ist ein Vorteil. Aber dann hat ihm sein Broker die 110%-Hypothek angeboten, und er hat die Idee auf Eis gelegt. Jetzt liefert ihm das kleine Problem mit der Restaurantrechnung und Ottos knappem Cashflow einen Grund, sich wieder dahinterzuklemmen. Er wird ganz vorsichtig vorgehen, sich enge Grenzen setzen. Er wird nicht übermütig werden, wie er es bei anderen gesehen hat.
    Er lehnt sich zurück und nimmt sich Zeit, die Fledgling-, SmallCap- und AIM-Indices der FTSE zu betrachten. Hier hat er eine interessante neue Aktivität bemerkt. Eine Art Zittern, das sich nach oben und nach unten bewegt. Das gleiche Zittern auf dem SmallCap-Markt, wo seine Zielaktien

Weitere Kostenlose Bücher