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Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere

Titel: Die Werte Der Modernen Welt Unter Beruecksichtigung Diverser Kleintiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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bündeln wir sie und verkaufen sie als Kapitalanlagen.« Serge hat keine Lust zu plaudern, aber er will Otto bei der Stange halten. »Normalerweise zahlen Leute, die einen Kredit für ein Haus bekommen, das Geld mit Zinsen an die Bank zurück. Aber bei der Verbriefung ist es so, du leihst dir das Geld für das Haus von der Bank, und die Bank verkauft deine Schulden an eine andere Bank oder einen Investor, so ähnlich wie einen Rentenfonds.«
    Eine Pause entsteht.
    »Ist das nicht etwas riskant?«, krächzt Otto. »Ich meine,wenn ich jemandem zehn Pfund leihe, dann sorge ich dafür, dass er sie zurückzahlt. Aber wenn ich den Kredit einfach an irgendeinen Trottel weiterverkaufen kann ... dann würde ich doch jedem Penner Geld leihen, oder?«
    »Ja. Aber wenn du die Schulden verkaufen willst, brauchst du was, das sicher aussieht . Etwas mit einem Triple A, Hypotheken-Sicherheiten – nichts ist so sicher wie Immobilien, wie man so schön sagt. Tja, du würdest dich wundern, was die Rating-Agenturen heute alles mit Triple A bewerten. Andererseits – wenn sie es nicht täten, würden die Banken ihre Geschäfte eben woanders abwickeln.«
    »Das heißt, ihr sprecht euch mit den Rating-Agenturen ab?«
    »Genau hier kommt die Mathematik ins Spiel. Die Entwicklung finanzmathematischer Risikomodelle.«
    Allein es auszusprechen, führt Serge den reinen Wahnsinn des Ganzen vor Augen. Es ist, wie wenn man ein Flugzeug beobachtet – wie kann so ein Ding fliegen? Man muss schon eine besondere Denke haben, um zu glauben, dass so ein Riesenmetallklumpen tatsächlich oben in der Luft bleiben wird. Und doch ist es so – in den richtigen Händen hebt er ab und fliegt um die ganze Welt. Kein Wunder, dass viele der neuen City-Asse Physiker und Ingenieure sind.
    »Und selbst wenn du dich im großen Stil verspekulierst, muss die Regierung dich rauskaufen. Denn wenn das System je zum Stillstand käme, wäre es das Ende des Kapitalismus.«
    »Ist das nicht das, was die Großen in der Kommune immer gewollt haben?«
    »Genau.« Serge kichert und versucht cool zu klingen. »Total irre.«
    »Mann, ich habe mich echt gewundert, dass sie uns die Hypothek gegeben haben. Mir als Student und Molly als Tänzerin. Und schwanger. Aber wenn wir nicht zahlen können, dann nehmen sie uns die Wohnung weg, oder?«
    »Ja. Natürlich in der Annahme, dass die Wohnung in derZwischenzeit im Wert gestiegen ist, weil Cambridge ein begehrtes Pflaster ist. Das heißt, ihr liegt wahrscheinlich in der mittleren Risiko-Tranche.«
    »Also stimmt es doch, nichts ist so sicher wie Immobilien?«
    »Ja, klar. Erst wenn die Häuserpreise fallen ...« Er bricht ab. Er will Otto lieber keine Angst machen, jetzt, wo der gerade in den Immobilienmarkt eingestiegen ist.
    »Aber die Risiken zu berechnen, ist doch dein Job, Bruder, oder? Darin bist du gut?«
    »Ja, klar. Das Modellieren von Risikofaktoren. Aus der Gauß-Kurve das richtige Ende rauskitzeln.« Es ist ganz leicht, wieder in die Rolle des großen Bruders zu rutschen. Otto muss nicht wissen, wie die Risiken genau aussahen, die er eingegangen ist; das würde ihn nur noch mehr stressen. »Normalerweise geht es am Ende auf. Du weißt schon, die Weisheit des Marktes? Es war nur der Zeitrahmen, der nicht gestimmt hat. Deshalb brauche ich jetzt schnell etwas Geld.«
    »Verstehe, Mann. Ich rede mit Molly ...«
    Im Hintergrund hat die Musik aufgehört, und er hört Molly flüstern: »Wer ist das?« Ihre Stimme klingt rau.
    »Nein, ich habe doch gesagt, darum geht’s nicht, Kumpel. Ich will mir nur ein bisschen Cash ausleihen, um einen kleinen Engpass auszugleichen – du weißt schon, inoffiziell? Nur ganz kurz? Von einem anderen Konto der Firma? Dann, sobald ich aus dem Engpass raus bin, kriegen sie alles zurück. Keiner merkt was.«
    Erst als er es ausspricht, merkt er, dass der Plan in seinem Kopf längst steht.
    Ein knisterndes Schweigen entsteht in der Leitung, dann sagt Otto: »Nur weil du ein paarmal verloren hast, heißt das nicht, dass du beim nächsten Mal gewinnst, Mann. Der Spielerfehlschluss, weißt du noch?« Er klingt leicht erschrocken über den unerwarteten Rollentausch. »Außerdem gibt’s da bestimmt Sicherheitssperren.«
    Doch einer von Ottos netten Zügen ist, dass er vollkommen unvoreingenommen ist. Er sieht nur das praktische Problem, nicht das ethische – in dieser Richtung ist sein Hirn unempfindlich.
    »Wie wär’s mit Passwörtern?«
    »Du hast die Passwörter?«
    »Nicht ganz. Aber ich habe

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