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Die Wesen (German Edition)

Die Wesen (German Edition)

Titel: Die Wesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Lux
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man sich immer erst hinterher! Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.“
    Dann drückte er ab.
     
    Nichts passierte.
    „Mist! Mist! Mist!“
    „Was ist los?“
    „Der Scanner ist aufgeladen, aber er geht nicht los.“
    „Und was ist mit dem zweiten Prototyp?“, fragte Schüssli.
    „Der ist kaputt. Er hat den Sturz aus dem Flugzeug nicht überlebt.“
    „Dann wars das?“, fragte Sam. „Können wir jetzt endlich wieder nach Hause gehen?“
    „Ich weiß es nicht“, sagte von Stein und schlug wütend auf den Scanner.
    Ein leises Rauschen, dann löste sich ein heller Ring genau in der Größe der Tunnelöffnung und glitt langsam in die Tiefe der Höhle. Sie sahen seinen hellen Schein, der an den Tunnelwänden entlangglitt und verschwand.
    „Juchuh“, rief von Stein und küsste seinen Assistenten auf die Stirn. „Wir haben es geschafft! Jetzt wollen wir hoffen, dass wir bis zum Samadhi kommen.“
    „Und dass er nicht schon selbst bewusstlos in der Höhle liegt“, sagte Slinkssons.
     
    Langsam folgten sie Gompa ins Innere des Berges. Laima sah mit einem Auge auf ihr Aurometer. Sie war bereit, jederzeit den Rückzug anzutreten. Aber sie kamen ohne Schwierigkeiten voran.
    „Da liegt mein Aurometer“, sagte Sam. „Ich habe es vorhin hier verloren.“
    „Wenn es so gut weitergeht, könnten wir es fast schaffen“, sagte von Stein. „Göttergnade oder Bione-Scanner sei Dank.“
    Die Lichtkegel ihrer Taschenlampen tasteten sich an den Tunnelwänden entlang. Niemand klagte über Beschwerden. Dann erreichten sie eine kleine Höhle.
    „Da! Da sitzt er. Auf dem Stein.“
    Auf einem runden Stein, in der Mitte der Höhle, saß ein bärtiger, dünner Asket im Lotossitz. Er hatte langes weißes Haar und trug nichts weiter als ein Tuch um die Lenden.
    „Da frierts mich ja, wenn ich den nur sehe“, sagte Schüssli.
    „Ja, vier Grad sind das hier bestimmt“, sagte von Stein.
    „Gefühlte minus vier!“, sagte Sam.
    „Seine Haut sieht aus wie Stein. Blutleer und grau. Er atmet nicht“, sagte Slinkssons.
    „Und wacht er auf, wenn sie herkommen?“, wollte von Stein wissen.
    „Ich komme alle sechs Vollmonde ein Mal. Aber ich habe nie gesehen, dass er die Augen öffnete.“
    „Sie haben also noch nie mit ihm gesprochen?“
    „Nie. Seit ich ein Junge war und mein Vater mich das erste Mal hierher mitnahm.“
    „Eine erstaunliche Freundschaft.“
    „Und wie lange sitzt er hier schon?“, fragte Slinkssons.
    „Soweit die Geschichte meiner Familie reicht“, sagte Gompa.
    „Nicht anfassen!“, rief von Stein.
    „Er ist wirklich ganz kalt“, sagte Sam. „Wie Stein. Seine Haut ist ganz trocken.“
    „Müssen sie immer wie ein kleines Kind alles antatschen!“
    „Ich dachte, vielleicht ist er tot. Und Gompas Familie kommt Generation für Generation, nur um sich eine Mumie anzusehen.“
    „Wenigstens ist er noch am Leben“, sagte Laima. „Sehen sie! Er öffnet die Augen.“
    Der Samadhi schlug die Augen auf. Langsam, ganz langsam hob sich sein Brustkorb. Luft strömte mit einem leisen Zischen, zwischen seinen Lippen hindurch, in seine Lungen. Dann atmete er langsam wieder aus.
    Es dauerte eine Weile, in der alle ihn anstarrten. Die Gegenwart, die sich vor ihnen entfaltete, war wie das Schauspiel eines Schmetterlings, der seinem Kokon entsteigt, um seine Flügel für ein neues Leben auszubreiten. Langsam, unbeholfen fand die Seele zurück in ihren Körper. Stück für Stück. Bewegung um Bewegung. Atemzug um Atemzug hielt das irdische Leben wieder Einzug in den Samadhi.
    Seine Lungen füllten sich erneut mit Luft. Seine Adern begannen zu pulsieren. Und seine Haut verwandelte sich vom aschfahlen Grau in ein zartes Rosa.
    Trotz des Alters dieses Mannes hatte Laima den Eindruck, als entfaltete sich die Knospe einer Blume zu einer wunderschönen, frischen Blüte.
    „Was für eine Freude“, sagte der Samadhi mit fester Stimme, die von den Höhlenwänden hallte.
    „Sie sprechen unsere Sprache?“
    „Ich spreche alle Sprachen dieser Welt. Und darüber hinaus! Ich tue nichts anderes, als zu reisen und zu lernen.“
    „Entschuldigen sie vielmals, dass wir sie aus ihrer Versenkung gerissen haben“, sagte von Stein und fiel auf die Knie.
    Auch Laima spürte die Ehrerbietung, die von dem Samadhi ausging.
    „Es ist nichts. Alles hat seinen Platz. Alles hat seine Zeit.“
    Er streckte seine Glieder aus.
    „Und es ist immer wieder schön, in diesen Körper zurückzukehren. Die Erde unter meinen Füßen zu spüren“,

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