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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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Finchs Tochter wie die Tochter ihrer Mutter war und stärker von Logik bestimmt, als es ihr mütterliches Erbe vermuten lassen würde, hatte Zee immer darauf hinzuweisen versucht, dass es keltische Prinzen gab, über die Maureen hätte schreiben können, Efflam und Treveur zum Beispiel, außerdem große Kriegerkönige wie Cormac oder Cadwallon. Zee schlug die beiden Letzteren vor, da ihre Mutter immer eine Affinität zu großen Kriegern gehabt hatte. Aber Maureen antwortete einfach immer nur, dass die Iren Dichter mehr schätzten als Könige und Prinzen.
    Zee hörte den Geschichten zu. Damals liebte sie es, der Stimme ihrer Mutter zu lauschen. Und Zee war mittlerweile schlau genug, um zu wissen, dass man während Maureens manischer Phasen, wenn der Drang zu sprechen sie zu überwältigen schien, ihre Monologe besser nicht unterbrach. Nur so ließ sich verhindern, dass sie Unsinn anstellte, wozu sie in solchen Phasen neigte. Manchmal verstummte sie auch, aufgebracht wegen etwas, das sie gerade erzählt hatte, doch Zee, die seit Jahren immer wieder ein und dieselben Geschichten gehört hatte, trieb Maureen weiter in ihren Monologen und vermied die allzu erregenden Passagen – wie die Kratzer auf einer alten Schallplatte, die sonst einen Sprung mitten ins nächste Lied bewirkten.
    Selbst in diesen manischen Phasen war Maureen eine viel bessere Geschichtenerzählerin als eine Autorin, und die Geschichten, die Zee so mochte, waren gar nicht die Märchen, sondern die wahren Erzählungen darüber, wie sie aufgewachsen war und wie sie Finch getroffen hatte.
    Maureen erzählte Zee, dass sie und Finch sich am Nahant Beach kennengelernt hätten, dem langen Stück Strand, der die ehemaligen Inseln mit dem Festland verknüpfte, genauer gesagt mit Lynn, wo die Familie mittlerweile wohnte, und zwar in einem Haus, das Maureens neuem Stiefvater gehörte.
    Maureen war gerade neunzehn geworden und feierte mit ihren Freundinnen, drei Mädchen aus der Schuhschachtelfabrik, in der sie als Aufzugführerin arbeitete. Die anderen Mädchen arbeiteten am Fließband, aber Maureen war überdurchschnittlich hübsch und aus diesem Grund ausgesucht worden. Sie wurde dazu ausgebildet, einen der beiden Aufzüge zu bedienen, mit denen die Führungskräfte in ihre Büros im sechsten Stock gebracht wurden. Sie erledigte diesen Job gut, obwohl sie ihm sehr wenig abgewinnen konnte. Sie mochte es nicht, eingeschlossen zu sein, in einer sich bewegenden Schachtel innerhalb einer viel größeren Schachtel, sagte sie. Sie war an weitaus schwerere Arbeit als diese gewöhnt – und sie hätte sie problemlos leisten können. Trotzdem war ihr klar, dass es ein großes Privileg war, auserwählt worden zu sein. Selbst wenn sie lieber am Fließband gearbeitet hätte, so musste sie einfach nur ihren Freundinnen zuhören, die ihr täglich anboten, mit ihr den Platz zu tauschen, um ihr Glück würdigen zu können.
    Um drei Uhr war ihre Schicht immer zu Ende. Sommers wie winters ging sie jeden Nachmittag am Lynn Beach spazieren, nicht auf der Promenade wie die meisten Spaziergänger, sondern viel weiter unten, auf dem Sand. Sie liebte den Ozean. Dass sie so nahe am Wasser lebte, machte den Umzug von Irland erträglich. Trotzdem wäre sie lieber dort geblieben, wäre gerne von Derry vielleicht weiter südlich in die Republik gezogen, nach Ballybunion, wohin die Familie einmal gemeinsam gefahren war, als ihr Vater noch lebte und bevor sie Liam verloren und sich alles so entsetzlich veränderte und die Dohertys nach Amerika gingen und an eine neue Küste, die zwar völlig anders und fremd war, aber letztlich doch Teil desselben Ozeans.
    Der Tag, an dem Maureen Finch kennenlernte, war genau der Tag, an dem sie fünf Jahre zuvor mit ihren Brüdern an den Klippen von Ballybunion gestanden hatte. Es war der erste Sommertag gewesen, und auch wenn es in dieser neuen Welt keine Klippen gab, so gab es doch einen schönen Strand. Das Wasser war zwar kalt, aber man konnte hier, in der geschützten, sichelförmigen Bucht, die sich bis Nahant erstreckte, tatsächlich schwimmen. Die irischen Strände, die Maureen kannte, waren mit ihren wilden Gezeiten und der bewegten See zum Schwimmen immer viel zu gefährlich gewesen.
    An dem Tag, an dem sie Finch kennenlernte, war Maureen nicht schwimmen gewesen, nur zwei ihrer Freundinnen waren ins Wasser gegangen. Ihr war es immer noch zu kalt. Bis Maureen ins Wasser ging, musste es erst Juli werden.
    Er fiel ihr sofort auf. Mit seinen

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