Die Wiedergeburt
das silberne Leuchten. Lucian packte sie bei den Schultern, riss sie herum und warf sich über ihr zu Boden.
*
Die Silberkugel traf Lucian zwischen den Schulterblättern. Brennende Feuerbälle explodierten vor seinen Augen, als das Silber in sein Fleisch drang, und nahmen ihm für einen Moment die Sicht. Seine Hände schlossen sich um Alexandras Arme. Sie lag unter ihm, vor weiteren Kugeln von seinem Körper geschützt. Blinzelnd verdrängte er den Schmerz und sprang wieder auf. Darauf bedacht, Alexandra vor weiteren Schüssen abzuschirmen, zog er sie auf die Beine. Dicht an sie gedrängt, schob er sie in die Deckung zweier Regalreihen.
»Robert«, rief er über die Regale hinweg. »Raus hier!«
»Wie sollen wir zur Tür kommen?«, gab Alexandra leise zu bedenken. »Von oben nimmt uns Mihail ins Visier und unten lauert Vladimir zwischen den Regalen.«
»Wer sagt etwas von Tür?« Sein Blick fiel auf eine Leiter, die an eines der Regale gelehnt war. »Robert!«, rief er. »Du zuerst!« Ohne eine Antwort abzuwarten, packte Lucian die Leiter und schleuderte sie gegen die Scheibe. Glas zerbarst in einem ohrenbetäubenden Hagel aus Scherben und Splittern. Schritte erklangen, wurden rasch schneller, dann kam Robert hinter seiner Deckung hervor. Im Laufschritt überwand er die wenigen Meter zum Fenster, auf denen er das freie Schussfeld der Jäger durchqueren musste, und hechtete hinaus. Wie ein Rachen verschlang ihn die gähnende Öffnung, aus deren Rändern scharfkantige Scherben wie gierige Reißzähne ragten.
Keiner der Jäger schoss auf ihn.
Sie sparen ihre Kugeln für Alexandra und mich auf.
In Alexandras Augen fand er denselben Gedanken.
»Sie gehen vor mir«, sagte Lucian leise und zog sie zu sich heran. »Bleiben Sie dicht bei mir.« Er sah sie an, um sich zu vergewissern, dass sie alles verstanden hatte. »Bereit?«
Alexandra nickte.
»Dann los!« Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und schob sie vor sich her. Ein Schuss knallte. Die Kugel streifte ihn an der Seite, riss ihm das Fleisch auf und hinterließ das heftige Brennen von Silber auf der Haut. Während er Alexandra voranschob, spürte er, wie sich die Wunde wieder schloss. Dann zerriss ein weiterer Schuss die Stille. Die Kugel raste knapp über ihm hinweg, schlug ins Mauerwerk neben dem Fenster ein und sprengte eine Fontäne kleiner Steinsplitter in die Luft. Die dritte Kugel traf. Brennend heiß fraß sich das Silber in seinen Rücken, nahe der Stelle, an der bereits eine Kugel steckte. Ein Glühen erfasste ihn, als würde jemand seinen Leib mit Flammen versengen.
Schmerzen waren ihm nicht fremd, doch er war daran gewöhnt, dass sein Körper Kugeln abstieß und die Schmerzen ebenso schnell ein Ende fanden, wie die Wunden sich schlossen. Des Silbers jedoch vermochte sich sein Leib nicht zu entledigen. Die Kugeln würden darinbleiben, bis er sie herausschnitt. Es würde ihn nicht umbringen, doch sein Körper würde auch nicht regenerieren, solange die Kugeln in seinem Fleisch steckten.
Fluchend drängte er Alexandra voran, während hinter ihm die Jäger nachluden. Am Fenster angekommen, gebot er ihr stehen zu bleiben und schlug die scharfkantigen Scherben aus dem Rahmen.
»Jetzt!«, rief er und gab Alexandra frei.
Sie setzte sich auf das Fenstersims, schwang die Beine nach draußen und sprang. Das Fenster lag im Hochparterre, sodass es nicht einmal drei Meter bis zum Boden waren, trotzdem verlor sie das Gleichgewicht und stürzte.
Lucian warf einen letzten Blick zu den Jägern zurück, die noch immer mit ihren Waffen zugange waren, dann stieg auch er auf die Fensterbank und sprang. Er landete sicher auf beiden Beinen, griff nach Alexandras Hand und zog sie hoch. Regen stach ihm, spitzen Nadeln gleich, ins Gesicht, doch er war dankbar für die undurchdringlichen bleigrauen Wolken, die den Tag zur Nacht machten. Zumindest darüber brauchte er sich keine Sorgen zu machen.
»Schnell!«, rief er. »Zur Droschke!«
Noch immer ihre Hand haltend, lief er los. Nach wenigen Metern bogen sie um eine Hausecke und erreichten die Vorderfront, wo Robert die Droschke bei ihrer Ankunft abgestellt hatte. Er saß bereits auf dem Kutschbock, die Peitsche in der Hand, und sah sich nach Lucian und Alexandra um.
Bei dem Gefährt angekommen, riss Lucian die Tür auf und schob Alexandra in die Karosse. »Fahr los!«, rief er Robert zu und sprang hinein.
Er hatte die Tür noch nicht ganz hinter sich geschlossen, da ließ Robert auch schon die Peitsche
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