Die Wiedergeburt
sich nicht so leicht einschüchtern. »Sie ist eine von uns!«
»Das war sie, bis sie sich mit dieser Kreatur eingelassen hat«, herrschte Vladimir ihn an. »Und jetzt halt endlich den Mund, ehe ich noch auf den Gedanken komme, dass du versuchen könntest, uns ebenfalls in den Rücken zu fallen.« Tatsächlich erwiderte Gavril nichts mehr. Einen Moment herrschte eisiges Schweigen, dann rief Vladimir: »Töte das Dämonenliebchen, Mihail!«
»Nein!« Lucians durchdringender Schrei ließ Alexandra erstarren. Sie schloss die Augen und wünschte, es gäbe einen Weg, ihn aufzuhalten. Als sie jedoch das Band spürte, ohne danach gegriffen zu haben, wusste sie, dass es nichts gab, was ihn von seinem Entschluss abbringen konnte. Plötzlich war da mehr als die vertraute Wärme. Lucians Gefühle schlugen wie eine Welle über ihr zusammen. Hätte Mihail sie nicht festgehalten, wäre sie gestürzt. Die Verzweiflung, die Lucian erfüllte, war aus Liebe geboren. Die einzige Liebe, die Alexandra je gekannt hatte, war die zu ihrer Familie gewesen. Wärme. Sicherheit. Geborgenheit. Zugehörigkeit. Was Lucian in diesem Augenblick ausstrahlte, ging weit darüber hinaus. Er war von einer derart tiefgreifenden Furcht beseelt, dass es schmerzte – doch er fürchtete nicht um seine eigene Existenz, sondern um sie!
»Geben Sie mir Ihr Wort, dass Sie Alexandra und Robert gehen lassen!« Er klang vollkommen ruhig, als könne der Sturm der Gefühle, der in seinem Innersten tobte, seine Stimme nicht erreichen.
»Die beiden sind keine Vampyre«, erwiderte Vladimir. »Sobald du Staub bist, sind sie frei.«
»Das ist eine Lüge!«, stieß Alexandra hervor. Vladimir würde sie niemals ziehen lassen. Wenn Lucian in den Kreis trat, war sein Leben verwirkt – für nichts! Für sie mochte es keine Rettung mehr geben, doch zumindest Lucian konnte entkommen. Sie musste ihn nur davon abhalten, Vladimirs Aufforderung zu folgen! Sie riss den Kopf zur Seite und entglitt für einen Moment Mihails Griff.
»Tun Sie das nicht!«, schrie sie. »Bitte, Lucian!« Dann packte Mihail sie erneut und zwang sie stillzuhalten. Hilflos musste sie mit ansehen, wie Lucian in den Kreis trat.
Er hatte die feine Linie kaum überschritten, als die Luft um ihn herum zu flimmern begann. Ein silberner Schimmer stieg auf und hüllte ihn ein. Lucian versuchte sich zu bewegen, doch etwas hielt ihn gefangen, dünne Silberfäden legten sich wie ein pulsierendes Netz um seinen Leib, zogen sich immer enger zusammen, bis er nicht länger aufrecht zu stehen vermochte. Zusammengekrümmt und vollkommen bewegungsunfähig kauerte er im Inneren des Kreises. Seine Augen waren auf Alexandra gerichtet, als wolle er sich vergewissern, dass es ihr gut ging.
Vladimir schlug seinen Mantel zurück und griff nach dem Schwarzen Kreuz, das er darunter verborgen am Gürtel trug. Alexandra versuchte sich aus Mihails Griff zu befreien, doch der Jäger gab sie nicht frei. Immerhin nahm er die Klinge von ihrem Hals.
Obwohl Lucian ihr versichert hatte, dass ihm das Kreuz ohne den Splitter nichts anhaben konnte, schrie sie auf, als Vladimir ihm die Spitze ins Herz stieß. Lucian bäumte sich auf, das Gesicht vor Schmerz verzogen, doch er zerfiel nicht zu Staub.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Bothwell zu sich kam. Gavril stand noch immer neben seinem Bruder, sodass keiner der beiden bemerkte, wie er sich aufsetzte. Als sein Blick auf Lucian traf, stand in seinen Augen dasselbe Entsetzen, das auch Alexandra umklammert hielt. Langsam kämpfte er sich auf die Beine, durch eine Regalreihe vor Vladimirs und Gavrils Blicken geschützt. Er stemmte die Hände gegen eines der Regale und begann zu drücken.
Noch einmal versuchte Alexandra, sich Mihails Armen zu entwinden. So heftig, dass er gezwungen war, seine Aufmerksamkeit vollständig auf sie zu richten, und nicht sah, was Bothwell unten tat. Durch ihren heftigen Widerstand entglitt Mihail der Dolch und fiel auf die Dielen. Während Alexandra gegen ihn ankämpfte, riss Vladimir das Kreuz aus Lucians Leib und stieß es ihm noch einmal in die Brust. Ein Anblick, der ihr beinahe körperlichen Schmerz bereitete.
»Ich weiß längst, dass du mich hereingelegt hast!« Vladimirs Augen richteten sich auf Alexandra. »Wo ist das fehlende Stück?« Seine Stimme war von derart unterschwelliger Macht erfüllt, dass es ihr durch und durch ging, als könne er sie durch bloße Willenskraft zwingen, ihm zu gehorchen. Beinahe glaubte sie, dass er sie zwingen könnte,
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