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Die Wiedergeburt

Die Wiedergeburt

Titel: Die Wiedergeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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knallen und trieb die Pferde an.

8
    Während der Fahrt spähte Alexandra immer wieder zwischen den Vorhängen nach draußen und rutschte unruhig hin und her, um einen besseren Blick zu erhaschen.
    »Robert wird dafür sorgen, dass sie uns nicht folgen«, sagte Lucian ruhig. Abgesehen davon, dass ihre Verfolger eine Weile abwarten würden, ehe sie sich aus ihrer Deckung hervorwagten, hatte er keine weitere Droschke vor der Bibliothek gesehen. Wenn die Jäger ihnen folgen wollten, brauchten sie zunächst einmal ein Gefährt. Doch selbst seine beruhigenden Worte hielten Alexandra nicht davon ab, aus dem Fenster zu sehen.
    Streng genommen, war er sogar froh darüber. Solange sie abgelenkt war, würde sie nicht bemerken, wie sehr ihm die Silberkugeln zu schaffen machten. Es fiel ihm schwer, sich aufrechtzuhalten. Er lehnte an der Seitenwand und kämpfte den Schmerz nieder, um Alexandra nicht zu beunruhigen. Sobald wir zurück sind, kann ich die Kugeln herausschneiden. Wenn das Silber heraus war, würden die Wunden heilen und sein Körper sich binnen kürzester Zeit regenerieren. Im Augenblick jedoch erschien ihm Lauriston House unendlich weit entfernt. Das Silber brannte sich in sein Fleisch und wütete wie ein gnadenloses Feuer.
    Als Robert die Droschke endlich zum Halten brachte, hätte Lucian ihn gerne gebeten, ihn zu begleiten. Er würde Hilfe brauchen. Da er jedoch Alexandras Aufmerksamkeit nicht auf sich ziehen wollte, sagte er Robert lediglich, er solle zu ihm kommen, sobald er die Pferde ausgespannt und in den Stall gebracht hatte. Solange konnte er den Schmerz ertragen.
    Er geleitete Alexandra ins Haus. In der Eingangshalle hielt er am Fuße der Treppe inne. »In Ihrem Schrank finden Sie frische Gewänder«, sagte er und machte einen Schritt zur Seite, um ihr den Vortritt zu lassen, »falls Sie sich umziehen möchten.«
    Er folgte ihr die Stufen hinauf und ging zu seinem Schlafzimmer, das unmittelbar neben ihrem lag. Alexandra blieb auf dem Gang stehen und wandte sich zu ihm um. »Stimmt etwas nicht, Lucian?«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte er alarmiert.
    »Sie waren in der Kutsche ungewöhnlich schweigsam.«
    Musterte sie ihn eingehend oder bildete er sich das nur ein? Lucian zwang sich zu einem Lächeln. »Ich versuche lediglich, Sie möglichst wenig mit meiner Gegenwart zu belasten.«
    »Grollen Sie mir etwa?«, fragte sie verblüfft.
    Lucian schüttelte den Kopf. Wie konnte er sich diesem Gespräch entziehen, ohne dabei ihren Ärger oder ihr Misstrauen auf sich zu ziehen? »Ich möchte es Ihnen nur nicht zu schwer machen. Wissen Sie was«, sagte er und öffnete seine Schlafzimmertür, »lassen Sie uns später darüber reden – bei einer Tasse Tee. Ich ziehe mir nur rasch etwas Frisches an.« Ohne eine Antwort abzuwarten, betrat er das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Sobald er allein war, verließ ihn seine mühsam aufrechterhaltene Beherrschung. Keuchend taumelte er zur Seite und musste sich an der Wand abstützen. Die Kugeln mussten heraus, ehe das Silber ihn noch mehr schwächte!
    Er wollte zum Fenster. Von dort aus hatte er freie Sicht auf den Stall und konnte Robert sofort zu sich rufen. Auf dem Weg durch den Raum geriet er ins Straucheln und musste sich am Waschtisch festhalten, um nicht in die Knie zu brechen. Der Schmerz wurde schlimmer! Wie war das möglich? In der Droschke war er überzeugt gewesen, die Pein ertragen zu können, doch jetzt war er kaum mehr imstande, sich auf den Beinen zu halten.
    Er streifte seinen Gehrock ab und plagte sich aus dem Hemd. Als er es fallen ließ, sah er zwei kleine blutige Kreise dort, wo die Kugeln durch den Stoff gedrungen waren. Zwei unscheinbare rote Flecken, kaum bemerkenswert, und doch zwangen ihn die Schmerzen beinahe in die Knie.
    Allein sich aus dem Hemd zu befreien, hatte ihn derart angestrengt, dass er schweißgebadet war. Robert! Wankend wandte er sich wieder dem Fenster zu und musste sich erneut abstützen. Wie glühende Lava fraß sich das Silber durch seinen Leib. Nur ein einziges Mal in seinem Leben hatte er einen ähnlichen Schmerz verspürt. In jener Nacht, in der er zum Vampyr geworden war. Damals war er unter grauenvollen Krämpfen erwacht und hatte nicht mehr atmen können – nicht mehr atmen müssen . Sein Herz hatte in jener Nacht zu schlagen aufgehört, doch niemals zu fühlen.
    »Alexandra braucht mich«, stieß er gepresst hervor und versuchte sich aufzurichten. Er klammerte sich an die Kante des Waschtischs und kämpfte

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