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Die Wiedergeburt

Die Wiedergeburt

Titel: Die Wiedergeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Einschussstelle ab, versuchte das Geschoss darin zu erfühlen, damit sie wusste, wo sie die Klinge ansetzen sollte. Lucian zuckte bei jeder Berührung zusammen.
    Als sie das Messer ansetzte und zu schneiden begann, fragte sie sich, ob sie etwas falsch machen konnte. Was, wenn sie ihn umbrachte? Nein! Die Kugeln würden ihn töten, wenn sie in seinem Leib blieben. Sie konnte nichts falsch machen. Das durfte nicht sein.
    Als das Messer in sein Fleisch drang, quoll Blut aus dem Schnitt. Überrascht betrachtete sie den hellroten Lebenssaft, der über seinen Rücken rann. Dass Vampyre bluten konnten, hatte sie nicht gewusst. Doch sein Blut war ebenso kühl wie seine Haut: leblos und tot.
    »Warum haben Sie nicht gesagt, dass sie getroffen worden sind?« Vorsichtig schnitt sie tiefer. Dann hielt sie die erste Silberkugel in der Hand und warf sie auf den Nachttisch.
    Lucian keuchte. »Ich wollte nicht … ich bin Ihr Halt – nicht umgekehrt.«
    »Weil Sie sich für meinen unbesiegbaren Beschützer halten, glauben Sie, kein Recht auf Schwäche zu haben?« Vorsichtig tastete sie nach dem zweiten Geschoss. Lucian krallte die Finger in die Laken und ballte die Hände zu Fäusten. Zu ihrer Erleichterung fand sie die andere Kugel ebenso schnell. Vorsichtig drang Alexandra noch einmal mit dem Messer in sein Fleisch und schnitt auch sie heraus. Augenblicklich hörten die Wunden auf zu bluten, doch sie veränderten sich nicht.
    »Sie schließen sich nicht!«
    »Der Splitter und das Silber verlangsamen die Heilung«, sagte er kraftlos.
    »Dann werde ich ihn fortbringen.« Sie würde den Splitter vergraben, weit genug vom Haus entfernt, sodass er Lucian nicht länger schaden konnte.
    »Nein!«, presste Lucian hervor. »Wir werden ihn nicht aus den Augen lassen.« Seine Stimme wurde schwächer. »Zu gefährlich.« Er tastete nach ihrer Hand. Eisig schlossen sich seine Finger um ihre. »Haben Sie keine Angst … es … alles in … morgen bin ich wieder auf den Beinen. Muss nur … schlafen …« Seinen Worten folgte eine Pause, die so lange währte, dass sie schon glaubte, er sei eingeschlafen. Dann jedoch drückte er sanft ihre Hand. »Ich habe Sie nicht benutzt«, beantwortete er mühsam die Frage, die sie am Morgen nicht zu stellen gewagt hatte, »und ich werde es niemals tun.« Mit der letzten Silbe erschlaffte seine Hand in ihrer. Seine Augenlider schlossen sich und sein Arm sank herab. Alexandra vermochte nicht zu sagen, ob er das Bewusstsein verloren hatte oder nur eingeschlafen war. Alles wird gut , sagte sie sich. Jetzt, wo die Kugeln heraus sind, werden seine Selbstheilungskräfte nicht länger behindert.
    Sie legte das Messer zur Seite, riss einen Streifen Stoff aus seinem Hemd und tauchte ihn in die Waschschüssel. Behutsam wusch sie Lucian das Blut vom Rücken. Beinahe andächtig strich sie über die Muskelstränge, die sich unter seiner Haut abzeichneten, folgte ihnen mit Fingern und Augen über den Rücken nach unten, ehe sie, erschrocken über sich selbst, die Hand zurückzog und aufsprang.
    Hastig säuberte sie das Messer und entsorgte das schmutzige Wasser und die blutigen Stoffstreifen. Nachdem sie aufgeräumt hatte, kehrte sie an Lucians Seite zurück. Als sie sah, dass er noch immer zitterte, deckte sie ihn zu. Nachdem sie sich ein letztes Mal davon überzeugt hatte, dass es ihm gut zu gehen schien, löschte sie die Lampe und wollte in ihr Schlafzimmer zurückkehren. Auf dem Gang begegnete sie Bothwell, der sie irritiert betrachtete. Er wollte an ihr vorbei.
    »Stören Sie ihn nicht, er schläft.«
    »Er braucht keinen Schlaf.« Bothwell runzelte die Stirn. »Was ist passiert?«
    »Er wurde angeschossen und muss sich jetzt ausruhen.«
    »Was für ein Unsinn! Lucian ist –«
    »Der Splitter ist im Haus«, fiel Alexandra ihm ins Wort. »Lassen Sie ihn, Bothwell. Bitte.«
    Er erwiderte nichts, doch sein Schweigen war beredt genug. Sie werden ihm den Tod bringen! Ohne ein Wort machte er kehrt und ging davon.
    Alexandra betrat ihr Schlafzimmer. Die Dämmerung hielt allmählich Einzug und hüllte den Raum in tiefe Schatten, trotzdem entzündete sie kein Licht. Eine Weile stand sie am Fenster und blickte nach draußen. Immer wieder fragte sie sich, welche Nachwirkungen eine Silberkugel haben konnte, wenn der Splitter in der Nähe war. Was, wenn noch ein Fragment der Kugel in seinem Fleisch steckte und Lucian starb, während sie hier stand und die herannahende Nacht beobachtete? Vielleicht wäre es wirklich das Beste,

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