Die Wiedergeburt
verkaufen. Sie haben wirklich nicht die geringste Ahnung, welchen Wert dieses Ritual für mich hat. Nun musste sie nur noch herausfinden, wohin man es gebracht hatte. »Wird das Archiv hierher zurückgebracht, wenn die Kathedrale wiederhergestellt ist?«
»Oh, es befindet sich längst wieder in den Gewölben unter uns«, erklärte er stolz.
Die Offenheit dieses Kirchenmannes erstaunte sie immer mehr. »So ein Archiv ist sicher ein interessanter Ort.«
»Leider ist es nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.« Der Blick des Reverends wanderte kurz zum Altar, ehe er sich wieder auf Alexandra richtete. »Würden Sie mich bitte entschuldigen, ich muss noch die Gestecke für die Abendmesse vorbereiten.«
»Natürlich.«
Mit einem kurzen Nicken wandte sich der Reverend ab und ging nach vorne. Alexandra wanderte durch den hinteren Teil der Kathedrale und spähte unauffällig nach einem Zugang zum Kellergewölbe. Schnell war sie sich sicher, dass sie hier hinten nicht finden würde, wonach sie suchte. Sie musste am Altar – und an Reverend Macalister – vorbei, in den vorderen Teil der Kathedrale.
Langsam ging sie den Seitengang entlang auf den Altar zu. Bei der dritten Bankreihe hielt sie inne. Sie bekreuzigte sich rasch, ehe sie Platz nahm und vorgab, in ein Gebet vertieft zu sein. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte kein Gebet mehr über ihre Lippen gefunden. Worum sollte sie einen Gott bitten, der ihr alles genommen hatte?
Ohne den Kopf zu heben, blickte sie am Altar vorbei und versuchte zu erkennen, was sich dahinter verbarg. Zwischen zwei weiteren Säulen, die am hinteren Ende der Kirche das Dach stützten, gab es eine halb offene Tür. Da der Reverend gesagt hatte, dass sich die Gewölbe unter der Kathedrale befänden, konnte der Zugang nicht weit entfernt sein. Womöglich unmittelbar hinter dieser Tür.
Die beiden Frauen beendeten ihr Gebet und verließen mit gesenktem Haupt das Gotteshaus. Alexandra konnte nur hoffen, dass keine weiteren Gläubigen auftauchten, solange sie nicht am Altar vorbei war.
Kaum dass sie fort waren, stand Alexandra auf, huschte am Reverend und am Altar vorbei, hinter eine der Säulen. Sobald sie sicher war, dass der Reverend sie nicht bemerkt hatte, schob sie sich langsam auf die Tür zu und drückte sie auf. Die Angeln quietschten leise. Rasch schlüpfte Alexandra durch den Spalt und sah sich um. In einer Halterung an der gegenüberliegenden Wand hing eine Laterne und sandte ihren spärlichen Schein in den kleinen Raum, in dessen Mitte ein Tisch und zwei Stühle standen. Zu ihrer Linken war eine niedrige Holztür in die Wand eingelassen, die mit einem eisernen Vorhängeschloss gesichert war.
Der Teufel soll mich holen, wenn das nicht der Zugang zum Archiv ist!
Alexandra horchte in den Altarraum. Als sie hörte, dass der Reverend draußen vor sich hinsummte, schob sie die Tür zu. Dann huschte sie zur anderen Seite des Raumes. Vor der Holztür hielt sie inne und zog das Stilett aus dem Hosenbund. Sie war froh, dass Lucian darauf bestanden hatte, dass sie die Waffen mitnahm. Mit Grauen dachte sie daran zurück, dass sie gestern vollkommen unbewaffnet gewesen war, als sie den Jägern gegenübergestanden hatte. Auch wenn sie keinen Wert darauf legte, den Männern zu begegnen, vermittelten ihr die Pistole und der Dolch ein Gefühl von Sicherheit.
Da sie keine Übung darin hatte, ein Schloss mit einem Dolch zu öffnen, dauerte es, bis das erlösende Knacken erklang und der eiserne Bügel aus seiner Verankerung sprang.
Darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen, schob Alexandra das Schloss aus seiner Halterung, löste den Riegel und zog behutsam an der Tür. Sie klemmte. Alexandra unterdrückte einen Fluch. Je mehr Kraft sie aufwandte, desto mehr Lärm würde sie machen. Sie trat einen Schritt zurück und besah sich das verzogene Holz. Wenn sie die Tür ein Stück anhob, konnte es gehen. Wieder griff sie zu, diesmal fester, drückte nach oben und zog. Zunächst sah es so aus, als würde nichts geschehen, dann jedoch überwand sie den Widerstand. Mit einem leisen Scharren schwang ihr die Tür entgegen.
Mit zusammengekniffenen Augen starrte sie in die Dunkelheit, die ihr auf der anderen Seite entgegenschlug. Sie glaubte die schemenhaften Umrisse einer Stufe auszumachen. Selbst wenn sie die Treppe hinunterkam, ohne sich dabei im Dunkeln den Hals zu brechen, brauchte sie Licht, um sich unten zurechtzufinden. Sie machte kehrt und wollte in den Raum zurück, als sie eine Laterne
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