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Die Wiedergeburt

Die Wiedergeburt

Titel: Die Wiedergeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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sie bei Lucians Anblick annehmen müssen, er wäre der Unendliche. Sie hätten ihr niemals geglaubt, dass es sich um seinen Zwilling handelte.
    »Er hat es verdient, in Frieden zu leben.«
    »Leben?«, rief Gavril. »Er ist ein Untoter! Ein Monster!«
    Alexandra schüttelte den Kopf. »Nein, das ist er nicht.« Er ist nur ein Mann, der in das Dasein eines Monsters gezwungen wurde.
    »Du hast einmal gesagt, er hätte dir das Leben gerettet«, bohrte Gavril weiter. »Ist das der Grund, warum du uns und alles, wofür wir stehen, verraten hast? Hilfst du ihm deshalb? Weil du glaubst, ihm etwas schuldig zu sein?«
    »Ich bin ihm etwas schuldig.«
    Womöglich würde Gavril es verstehen, wenn er nur die ganze Geschichte kannte. »Erinnerst du dich daran, dass Vladimir uns noch am Tag unserer Ankunft in den Mary King’s Close geführt hat?« Als er nickte, fuhr sie fort: »Wir wurden getrennt. Ich fand die Leiche eines Mädchens und folgte der Spur eines Vampyrs.« Zum ersten Mal erzählte sie jemandem, wie sie damals auf Daeron und Catherine gestoßen und was danach geschehen war. Sie berichtete vom Anwesen des Unendlichen und davon, dass sie später ein Vampyr in ihrer Pension erwartet hatte, um sie zu warnen. Lucian Mondragon. Immer wieder musste sie eine Pause machen, um etwas Wasser zu trinken, oder sich für einen Moment zurücklehnen, um wieder zu Atem zu kommen, ehe sie fortfahren konnte. Sie ließ nur wenig aus. Einzig, dass der Unendliche und Lucian Zwillinge waren und welche Gefühle Lucian für sie hegte, behielt sie für sich. Sie erzählte sogar von der alten Zigeunerin, die Lucian schon vor Jahrhunderten prophezeit hatte, dass Alexandra in sein Leben treten würde. Von dem Band zwischen ihnen sagte sie jedoch nichts.
    Sie sprach von ihrem Bündnis mit Daeron und Catherine, ihren Begegnungen mit Lucian und davon, wie er sie vor dem Unendlichen und der Ushana gerettet hatte. Selbst den Fluch, der ihn zu dem gemacht hatte, was Alexandra und die Jäger so sehr verabscheuten, enthüllte sie ihm. Ihre Geschichte endete mit der Vernichtung des Unendlichen. »Lucian ist der Bruder des Unendlichen, doch er ist keine seiner Kreaturen, deshalb brachte ihm dessen Ende keine Erlösung«, schloss sie müde. »Er ist der einzige noch lebende Vampyr.«
    »Existierend«, korrigierte Gavril.
    »Was?«
    »Sein Herz schlägt nicht, er atmet nicht und sein Leib ist kalt. Das ist kein Leben, sondern bloße Existenz.«
    »Aber er hat sich seine Menschlichkeit bewahrt und gegen den Unendlichen und seine Kreaturen angekämpft – bis zum Ende«, beharrte sie. »Er ist nicht wie jene, die wir all die Jahre gejagt haben. Er hat ein Gewissen.« Und ein Herz – auch wenn es nicht schlägt.
    Eine Weile schien Gavril über ihre Worte nachzudenken. Draußen war unbemerkt die Dämmerung angebrochen. »Es fällt mir schwer, das alles zu glauben«, sagte er schließlich und stand auf, um die kleine Lampe zu entzünden. »Wenn dieser Mondragon so großartig ist, warum hat er dich dann zurückgelassen?«
    Wie oft hatte sie sich während der letzten Tage und Wochen gewünscht, Lucian wäre hier. Allein seine Stimme zu hören und zu wissen, dass er da war, hätte ihr geholfen, schneller gesund zu werden. Doch er war nicht gekommen. Nicht ein einziges Mal, seit sie im Kloster war, hatte sie das Gefühl gehabt, dass er in der Nähe war. Nicht das geringste Anzeichen, dass er sich um sie sorgte oder wenigstens sichergehen wollte, dass es ihr gut ging.
    »Du siehst müde aus«, durchbrach Gavril das lange Schweigen. »Das Sprechen hat dich angestrengt. Schlaf ein wenig, ich werde inzwischen sehen, ob die Nonnen ein Mahl für mich entbehren können.«
    Alexandra sank in die Kissen zurück und ließ zu, dass Gavril ihre Decke zurechtzog. »Ich bin nicht lange fort.«
    Sie schloss die Augen und wartete, bis die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Draußen schlug der Regen gegen die Scheiben, ein gleichmäßiges Prasseln, beruhigend und einschläfernd zugleich. Alexandra rollte sich unter der Decke zusammen und griff nach dem Band. Diesmal fand sie die Wärme sofort. Sie klammerte sich daran und folgte ihr, bis auch das Prickeln dazukam. Ich weiß immer, wo Sie sind , hatte er gesagt, als sie das erste Mal darüber gesprochen hatten. Und manchmal spüre ich sogar, in welcher Stimmung Sie sich gerade befinden. Damals in der Bibliothek war es auch ihr gelungen, seine Stimmung aufzufangen. Nur zu gut erinnerte sie sich daran, wie seine Gefühle über sie

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