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Die Wiedergeburt

Die Wiedergeburt

Titel: Die Wiedergeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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beinahe mehr gewesen, als Robert ertragen konnte. »Ich hatte wirklich daran gedacht, sie irgendwo zurückzulassen, doch ich konnte es nicht. Deshalb brachte ich sie zu diesem jungen Jäger.« Natürlich war ihm bewusst gewesen, dass Lucian trauern würde. Mit derartiger Verzweiflung jedoch hatte er nicht gerechnet. »Ich wusste mir einfach nicht anders zu helfen.«
    Lange Zeit sagte Lucian kein Wort. Er lehnte an der Anrichte, den Blick auf Robert gerichtet. Der Zorn war aus seinen Augen gewichen, doch die tiefe Enttäuschung, die darunter zum Vorschein kam, war weitaus schmerzlicher. Mehr als einmal war Robert kurz davor, ihn zu bitten, etwas zu sagen. Ganz gleich was, solange er nur endlich dieses quälende Schweigen brach. Aber er tat es nicht.
    »Du hast versucht, mich von der einzigen Frau zu trennen, die ich je geliebt habe«, sagte Lucian nach einer Weile. »Schlimmer noch: Du hast bewusst in Kauf genommen, dass sie sterben könnte.«
    Robert wollte ihm sagen, dass er gewusst hatte, dass der junge Jäger allein gewesen war, doch Lucian ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. »Erzähl mir nicht, dass das nicht wahr ist! Du konntest nicht wissen, ob Gavril ihr tatsächlich helfen würde oder ob die anderen Jäger nicht vielleicht doch im Haus waren.« Er schüttelte den Kopf. »Es mag sein, dass du es nicht über dich gebracht hast, sie selbst zu töten, aber es hätte dir auch nichts ausgemacht, wenn einer der Jäger es getan hätte.«
    Das ist nicht wahr , wollte Robert sagen. Doch das wäre gelogen gewesen. »Als ich sie den Jägern auf die Schwelle legte, war das tatsächlich so«, gab er zu. »Ich war bereit, ihr Schicksal in Gottes Hände zu legen. Aber ich würde es niemals wieder tun.« Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Was ich getan hatte, wurde mir erst bewusst, als ich … als ich sah, wie du …« Wieder schüttelte er den Kopf. »Ich wollte nie, dass du derart leidest. Was ich getan habe, ist unentschuldbar.« Und doch habe ich meinen Anteil daran, dass du sie nun erneut verlieren wirst.
    Wieder schwieg Lucian einen Moment, ehe er sagte: »Ich möchte, dass du jetzt gehst.«
    »Lucian, bitte!«
    »Ich kann dir nicht vergeben. Nicht jetzt. Vielleicht nie.« Er wollte noch mehr sagen, doch plötzlich brach er ab und drehte den Kopf zur Seite.
    Robert sah auf. »Was –«
    Lucian bedeutete ihm zu schweigen. Einen Moment noch lauschte er, ehe er sich von der Anrichte löste und langsam zur Tür ging. Er setzte noch einmal dazu an, etwas zu sagen, und wieder brachte Lucian ihn mit einer Geste zum Verstummen. Zum ersten Mal verfluchte Robert die scharfen Sinne seines Freundes. Er musste verhindern, dass Lucian das Esszimmer verließ. Andernfalls würde er draußen auf Alexandra stoßen, die im Begriff war, das Haus zu verlassen. In der Eingangshalle knarrte eine Diele. Verflucht! Ihr fehlt nur noch ein Stück zur Tür! Lucian darf sie jetzt nicht aufhalten.
    »Das ist sicher die Jägerin, die sich etwas aus der Küche holt«, durchbrach Robert die angespannte Stille.
    Lucian blieb neben der Tür stehen und schüttelte den Kopf. Robert stand auf. Natürlich war es die Jägerin! Nur, dass sie nicht vorhatte, sich eine Erfrischung zu holen. Während er sich noch fragte, wie er Lucian ablenken konnte, flog die Tür aus den Angeln.
     
    *
     
    Lucian am Fuße der Treppe zurückzulassen und zu wissen, dass sie ihn nicht wiedersehen würde, war schmerzhafter, als Alexandra angenommen hatte. Obwohl sie sich noch immer im selben Haus aufhielt, ließ sie das Gefühl, etwas Wichtiges verloren zu haben, nicht los.
    Hastig eilte sie in ihr Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Einen Moment verharrte sie und lauschte. Erst als sie nach einer Weile noch immer keine Schritte auf der Treppe vernahm, holte sie ihre Ledertasche aus dem Schrank, warf ihre Habe hinein und verließ damit das Zimmer. Als sie von unten gedämpfte Stimmen vernahm, eilte sie zu Lucians Schlafzimmer, schlüpfte hinein und sah sich um. Der Nachttisch! Alexandra riss die Schublade auf. Gähnende Leere starrte ihr entgegen. Fluchend ließ sie ihren Blick durch den Raum streifen, bis er an einem Sekretär hängen blieb, der hinter der Tür an der Wand stand. Darauf lagen drei vergilbte Pergamente. Das Ritual! Beim Anblick der getrockneten Blutflecken kamen die Erinnerungen an St. Giles wieder hoch. Jägerin! Ich kann dich riechen! Fröstelnd schob sie die Pergamente zur Seite. Du hast gedacht, du hättest mich vernichtet. Warum

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