Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wiedergeburt

Die Wiedergeburt

Titel: Die Wiedergeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
Vom Netzwerk:
war ihr nicht sofort aufgefallen, wie sehr sich Vladimirs Augen verändert hatten? Es waren seine Augen. Die des Unendlichen.
    Würde das niemals aufhören? War sie dazu verdammt, den Rest ihres Lebens damit zu verbringen, eine Kreatur zu jagen, die ihr alles genommen hatte?
    Nachdem sie geglaubt hatte, die Bedrohung durch den Unendlichen gehöre endlich der Vergangenheit an, sog die Vorstellung, dass es immer so weitergehen würde, ihr die Kraft aus den Knochen.
    All die Jahre hatte sie sich bewusst von anderen ferngehalten – sogar von den Jägern. Sie hatte in einer selbst gewählten Einsamkeit gelebt, denn nur so konnte sie sich auf das konzentrieren, was wichtig war. Menschliche Nähe und Zuneigung waren ihr fremd geworden. Dann war Lucian in ihr Leben getreten, und plötzlich war alles anders. Sie wollte nicht gehen, doch welche Wahl hatte sie schon?
    Alexandra fuhr sich über die Augen, dann begann sie, eine Schublade nach der anderen zu öffnen und den Sekretär zu durchsuchen. Es dauerte nicht lange, bis sie den Splitter fand. Er war noch immer in dasselbe Tuch eingeschlagen, in das sie ihn damals gewickelt hatte. Rasch schob sie ihn in den Stiefel. Jetzt brauchte sie nur noch die Ingredienzien für das Ritual. Sobald sie aus dem Haus war, würde Alexandra sie wegwerfen. Die Anweisungen für das Ritual selbst wollte sie Lucian lassen. Nach ihrem Tod – wenn die Zerstörung des Kreuzes keine Gefahr mehr für ihn war – sollte er die nötigen Mittel dafür in Händen haben.
    Sie vergewisserte sich noch einmal, dass sie alles hatte, und nahm ihre Tasche wieder auf. Da vernahm sie von unten ein ohrenbetäubendes Krachen. Holz knackte und splitterte, Scharniere kreischten. Alexandra öffnete die Tür und trat auf den Flur. Dem anfänglichen Lärm folgte betäubende Stille. Womöglich hatte Bothwell etwas gesagt, womit er Lucians Zorn erneut heraufbeschworen hatte. Alexandra schüttelte den Kopf. Lucian hatte ihr sein Wort gegeben, ihm nichts zu tun. Er würde sein Versprechen halten!
    Sie schlich über den Flur und die Treppen hinunter, jeden Schritt mit Bedacht setzend. Trotzdem knarrte eine Stufe. Erschrocken hielt sie inne. Aus dem Esszimmer drangen Stimmen an ihr Ohr, jemand lachte leise, doch obwohl die Tür offen zu sein schien, schenkte ihr niemand Beachtung. Langsam setzte sie ihren Weg fort. Wieder das Lachen, doch es klang fremd. Kalt. Alexandra ging in die Hocke und blickte zwischen dem Geländer nach unten in die Eingangshalle. Die Tür zum Esszimmer stand nicht offen – sie war gar nicht mehr da.
    Vorsichtig erhob sie sich wieder und ging weiter. Geh in die Küche, nimm, was du brauchst, und verschwinde! Doch erst musste sie wissen, was da vor sich ging.
     
    *
     
    Als die Tür in den Angeln zerbarst, sprang Lucian zurück. Ein Regen aus Holztrümmern und feinen Spänen ging über ihm nieder. Dort, wo sich die Tür befunden hatte, senkte sich eine gewaltige Wolke aus Holzmehl herab. Darin machte Lucian die Umrisse einer Gestalt aus, die rasch an Deutlichkeit gewann, als sich der Staub verflüchtigte.
    Hinter ihm sog Robert scharf die Luft ein, als der Anführer der Jäger in den Raum trat. Er hielt Alexandras doppelläufige Pistole in der Hand, ohne auf jemanden zu zielen. In seinem Gürtel steckte eine weitere Pistole. Lucian zweifelte jedoch ebenso wenig daran, dass er die Waffen schnell genug in Position bringen konnte, wie er daran zweifelte, dass sie mit Silberkugeln geladen waren. Dennoch war es nicht die Pistole, die seine Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern der Jäger selbst. In dem Augenblick, als Vladimir aus der Staubwolke getreten war, wusste Lucian, dass Alexandra recht gehabt hatte. Der Jäger hatte sich nicht einfach verändert – er schien ein vollkommen anderer zu sein. Nicht nur seine Augen wirkten wie verwandelt, waren jetzt von einem durchdringenden Blau, statt dem gewohnten Grün, auch vor seiner Gestalt hatte die Veränderung nicht haltgemacht. Der gedrungene Jäger wirkte größer und schlanker als zuvor.
    »Seit Wochen schon suche ich nach eurem Versteck«, sagte der Jäger in die Stille hinein, »und dann muss ich feststellen, dass ihr euch nur ein paar Straßen entfernt verkrochen habt!« Er sog prüfend die Luft ein, als wolle er Witterung aufnehmen. »Dabei hätte ich es wissen müssen.«
    »Riechen, meinst du«, erwiderte Lucian. »Du kannst dir deine Spielchen sparen, ich weiß, dass du aus dem Jäger sprichst, Andrej.«
    Da begann der Jäger zu lachen. Humorlos

Weitere Kostenlose Bücher