Die Wiedergeburt
Fleisch die Luft erfüllen würde, doch nichts geschah. »Siehst du?«
Sie wusste, dass er nur deshalb darauf bestand, es an sich zu nehmen, um sie zu zwingen, bei ihm zu bleiben. Da er sich ohnehin nicht davon abbringen lassen würde, nickte sie. Ich werde schon einen Weg finden, es dir wieder abzunehmen. In der Hoffnung, dass der Unendliche den Verlust des Kreuzes nicht sofort bemerken würde, klappte Alexandra den Deckel des Kästchens wieder zu und schob es an die Stelle zurück, an der sie es vorgefunden hatte. »Lass uns zusehen, dass wir fortkommen.« Sie wandte sich zum Gehen, als die Tür aufgerissen wurde. Alexandra fuhr zurück und hätte um ein Haar die Lampe auf dem Tisch umgestoßen, als Bothwell ins Zimmer stürmte.
»Da kommt einer!«, rief er.
»Andrej?«, wollte Lucian wissen.
Bothwell schüttelte den Kopf. »Der Jüngere – Gavril.«
»Ist er allein?«, hakte Lucian nach.
Bothwell nickte.
»Er könnte uns helfen«, überlegte Lucian laut.
Bothwell warf Alexandra einen erschrockenen Blick zu. »Wobei? Uns seine Kameraden auf den Hals zu hetzen?« Er schüttelte den Kopf. »Keiner dieser Kerle könnte uns eine Hilfe sein.«
»Er hat Alexandra vor Vladimir versteckt und ins Kloster gebracht«, gab Lucian zu bedenken. »Mit ein wenig Glück können wir von ihm mehr über Vladimirs Veränderung erfahren. Etwas, was uns hilft, herauszufinden, warum Andrej jetzt im Körper des Jägers steckt – und wie wir ihn vernichten können. Sprich mit ihm, Alexandra.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu. »Was haben wir schon zu verlieren?«
Da sie wusste, dass er nicht nachgeben würde, wollte sie ihm diese Bitte nicht verwehren. Solange der Splitter existierte, war die Prophezeiung keine Gefahr. »Also gut«, stimmte sie schließlich zu. »Meinetwegen.«
Lucian nickte zufrieden. »Robert und ich halten uns verborgen. Beim Anzeichen der geringsten Bedrohung greife ich ein.« Er reichte Bothwell das Kreuz. »Pass darauf auf. Wenn es brenzlig wird, verschwinde damit!«
Bothwell nickte.
Alexandra löschte die Lampe. Beinahe im selben Augenblick hörte sie unten die Tür schlagen. Zusammen mit Lucian und Bothwell schlich sie auf die Galerie. Geduckt näherten sie sich dem Geländer und spähten zwischen den Holzstreben hindurch nach unten, wo Gavril sich aus seinem Mantel schälte und ihn an die Garderobe hängte. Sein Blick wanderte in Richtung Küche, dann überlegte er es sich jedoch anders und ging stattdessen in den Salon. Alexandra wartete, bis er eine Lampe angezündet hatte, ehe sie sich erhob.
Lucian wollte noch etwas sagen, doch bei jedem Wort bestand Gefahr, dass Gavril ihn hörte, deshalb drückte er nur kurz ihre Hand und nickte ihr noch einmal zu.
Langsam ging Alexandra die Treppe hinunter zum Salon. Auf der Schwelle hielt sie inne und räusperte sich. Gavril, der dabei war, den Kamin zu schüren, fuhr herum.
»Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte sie.
»Himmel, was tust du hier!«
»Ich muss mit dir reden.« Alexandra trat in den Raum und blieb neben dem Kamin stehen. »Wo sind die anderen?«
»Sie suchen noch nach dir.« Sein verschwollenes Gesicht schimmerte dunkel und eigenartig verformt im Lampenschein. »Mihail hat Vladimir gesagt, dass du Richtung Netherbow gelaufen bist – das war wohl das Letzte, was er sah, ehe er endgültig zu Boden ging. Ich habe seine Beobachtung natürlich bestätigt. Vladimir – oder wer immer er jetzt sein mag – bestand darauf, dass wir uns trennen und die Stadt nach dir absuchen.«
»Wird er nicht misstrauisch, wenn du schon zurück bist?«
Gavril schüttelte den Kopf. »Wir wollten uns hier wieder treffen. Wenn sie zurückkommen, werde ich einfach behaupten, erst kurz vor ihnen eingetroffen zu sein – es wird allerdings noch eine ganze Weile dauern, bis einer von ihnen kommt.«
Alexandra war erleichtert, dass ihnen Zeit blieb, miteinander zu sprechen. Sie ließ sich auf der Armlehne des Sofas nieder und beobachtete, wie Gavril Holzscheite in den Kamin schlichtete. Da sie nicht wusste, wo sie beginnen sollte, sagte sie das Erstbeste, das ihr durch den Kopf ging: »Wir brauchen deine Hilfe, Gavril.«
Er warf ein weiteres Scheit in die Feuerstelle und sah auf. »Der Vampyr und du?« Er schüttelte den Kopf. »Womöglich ist es besser, wenn du jetzt gehst.«
»Was ist mit Vladimir?«, gab sie zu bedenken. »Willst du ihn verlieren? Möchtest du zusehen, wie der Unendliche ihn mehr und mehr verändert, bis du ihn nicht einmal mehr
Weitere Kostenlose Bücher