Die Wiederkehr des gefallenen Engels
steche ich sie jetzt und hier ab. Hast du das verstanden?«
Lara antwortete nicht, aber ihre Gegenwehr erlahmte.
Sam hatte sich nicht am Kampf beteiligt. Er war zurückgewichen und blickte nun auf die Szenerie. In seinem Kopf begann sich, ein Gedanke zu formen, aber noch war er nicht in der Lage, ihn zu fassen und zu deuten. Er war verwirrt.
Unablässig dröhnte es in seinem Kopf. Schmerzgepeinigt presste er seine Hände auf die Ohren, aber es wurde nicht besser. Nur still.
Er hob den Blick und sah Lara. Dann erblickte er die alte Frau, die regungslos am Boden lag.
Die Frau … war … Erinnerung.
Kurze graue Haare, eine modische Frisur, trotz einfacher Kleidung eine elegante Erscheinung. Ein gütiges Gesicht.
Dann sah er dieses Gesicht in seiner Erinnerung, wie es sich über eine Wiege beugte, ein Kind heraushob, es sanft streichelte und ein Lied sang. Die Frau, sie küsste ihn, klopfte ihm frech auf den Hintern, dann wurde sie zu dem jungen Mädchen, das sie einst gewesen war. So schüchtern, so bezaubernd und so unvorstellbar liebenswert.
Und Xam’al erinnerte sich an alles.
An sein Leben.
Bevor er aus Strafe für seine Sünden zum Dämon geworden war.
Einst war er ein Mensch gewesen.
Hatte gelebt, geatmet, geliebt.
Und Dinge getan, für die er sich schämte.
Xam’al war nicht sein Name. War es niemals gewesen.
Er war Max Hermsdorf.
Ehemann, Vater einer Tochter und Großvater eines Mädchens, das in Gefahr war.
Max fletschte die Zähne.
Mit einem einzigen Satz überwand er die Distanz.
Vor ihm stand der Junge, der sein Herr gewesen war.
Er musste ihn töten.
Lara retten um jeden Preis.
Langsam richtete er sich zu voller Größe auf.
Ben war irritiert, als sich Sam plötzlich vor ihm aufbaute und eine bedrohliche Haltung einnahm. Er wusste nicht, warum der Dämon sich ihm in den Weg stellte, aber er erkannte sofort die Gefahr, die von ihm ausging.
Er ließ Lara los und bleckte die Zähne.
Das Schwert in seiner Hand flammte auf.
Doch bevor er zuschlagen konnte, war Xam’al über ihm.
Damian hatte alles beobachtet. Das Auftauchen von Martha Hermsdorf war ein Segen, denn sie brachte die ausgeglichene Situation ins Wanken und sorgte dafür, dass Dämonen und dunkle Engel abgelenkt waren.
Er verließ seine Deckung und rannte im Schutz der Hauswand bis zur Garage des Hauses. An der Ecke hielt er inne und spähte nach Lara. Sie lag auf dem Boden, aber sie regte sich. Damian sah, wie sie begann, von den beiden Kämpfern in ihrer Nähe wegzukriechen. Der Dämon hatte mit seinem Angriff Ben verwirrt und ihm eine oberflächliche Wunde am Hals beigebracht. Ein langer Riss zog sich vom Ohr bis zur Schulter herab und blutete, aber Ben schien sich gefangen zu haben, sein Schwert zischte durch die Luft und trieb den Dämon zurück.
Damian wagte es, leise nach Lara zu rufen. Sie entdeckte ihn sofort. Hoffnung spiegelte sich in ihren Augen. Schneller als bisher kroch sie über den schneebedeckten Vorplatz. Doch in dem Moment wandte Ben den Kopf, wirbelte herum und griff nach Laras Fuß. Damian stürzte vor und schmetterte ihm die Faust gegen die Stirn. Der rote Engel stieß einen Schrei aus, der mehr nach Verblüffung als Schmerz klang, und taumelte zurück. Und schon stand der Dämon wieder drohend vor Ben.
Damian nutzte den Augenblick. Er zog Lara auf die Füße.
»Komm! Schnell!«
Er riss sie mit sich. Lara stolperte mehr, als dass sie ging, aber sie konnten sich hinter die Garage retten. Lara beugte sich keuchend nach vorn, doch Damian ließ ihr keine Pause und rannte weiter, sie an der Hand hinter sich herziehend.
Kurz darauf umfing sie die Dunkelheit.
Nachdem sie weitere Häuser passiert hatten, bedeutete Damian Lara, langsamer zu gehen, leiser, unnötige Geräusche vermeidend. Sie durchquerten einen Garten, dessen Büsche und Bäume vom Schnee bedeckt waren, und erreichten ein Haus, in dem kein Licht brannte. Damian schlich an der Mauer entlang, bis er ein unvergittertes Kellerfenster fand. Er zog seinen Mantel aus, wickelte einen Teil davon um seine geballte Faust und schlug die Scheibe ein. Es gab ein gedämpftes Klirren, dann war der Weg ins Haus frei.
»Steig hinein«, sagte er zu Lara. Sie sah ihn nur mit weit aufgerissenen Augen an.
»Wir müssen uns verstecken.« Er nickte ihr auffordernd zu.
Langsam ließ sich Lara auf die Knie sinken und krabbelte durch das Fenster. Sie war noch immer im Schock, das konnte Damian sehen.
»Sei vorsichtig mit den Glasscherben«, rief
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