Die Wiederkehr
graben Gegentunnel, um die ihren zum Einsturz zu bringen oder mit Wasser zu
fluten, damit das Schießpulver nass wird - oder um ihre Krieger zu
ertränken… Aber Ihr wisst, wie es enden wird, Andrej.
Wenn ihnen Zeit genug bleibt, dann werden sie früher oder später
erfolgreich sein und eine Bresche in die Mauer sprengen. Und dann
gnade uns Gott!«
»Ihr erwartet immer noch, dass ich Soliman töte«, vermutete Andrej, als von Salm nicht weitersprach, sondern nur stumm aus dem
Fenster sah.
»Von Euch?« Von Salm drehte sich nun doch um und sah ihn an.
»In Eurem Zustand? Gewiss nicht.« Er schüttelte heftig den Kopf.
»Darüber hinaus steht es mir nicht zu, irgendetwas von Euch zu verlangen. Ihr habt schon mehr getan, als ich erwarten durfte.«
»Warum sind wir dann hier?«, fragte Andrej.
Von Salm ging mit den mühsam schlurfenden Schritten des alten
Mannes, zu dem die letzten Tage ihn gemacht hatten, zu seinem
Stuhl zurück und ließ sich darauf nieder. Er sprach erst weiter, als
auch Andrej sich wieder gesetzt hatte. »Ich habe Euch Unrecht getan,
Andrej Delãny«, sagte er. »Euch und Eurem Freund. Dafür bitte ich
um Verzeihung.«
»Und welche Gegenleistung erwartet Ihr für Eure Einsicht?«, fragte
Andrej kühl.
Von Salm lächelte dünn. »Ah, ja, ich vergaß - Ihr seid ja ein Mann,
der das offene Wort schätzt. Also gut: Ich habe Männer in die Katakomben geschickt, um nach diesen Ungeheuern und ihrem Anführer
zu suchen.«
»Wie viele sind zurückgekommen?«, wollte Andrej wissen.
»Keiner«, antwortete von Salm. »Drei Truppen von jeweils zehn
guten Männern, und keiner ist zurückgekommen. Ich kann keine weiteren Leben riskieren. Und es wird mir auch schwer fallen, Männer
zu finden, die dort hinuntergehen.«
»Schlechte Nachrichten verbreiten sich schnell«, vermutete Abu
Dun spöttisch.
Von Salm nickte. »Sogar dann, wenn niemand über sie spricht«,
bestätigte er. »Die Menschen haben Angst. Noch kann ich die Gerüchte im Zaum halten, aber ich weiß nicht, wie lange. Diese Kreaturen mögen nicht sehr zahlreich sein, aber auf ihre Art sind sie so gefährlich wie Solimans Heer. Sie vergiften die Herzen der Menschen
in dieser Stadt. Ich kann nicht gegen zwei Feinde gleichzeitig kämpfen, Andrej.«
»Und gegen welchen Eurer Feinde soll ich kämpfen?«, fragte Andrej spöttisch.
»Gegen den, der auch Euer Feind ist«, antwortete von Salm. »Ich
habe gehört, was ihr gesprochen habt. Ich möchte, dass Ihr diesen
Mann und seine Kreaturen aufspürt und vernichtet. Ich kann es nicht,
aber Ihr und Euer Freund schon.«
»Und was bietet Ihr uns diesmal als Gegenleistung?«, fragte Andrej
kühl. »Wieder das Leben eines Mannes, von dem Ihr genau wisst,
wie unschuldig er in Wahrheit ist?« Er verstand selbst nicht genau,
warum er von Salm so zusetzte, aber der Graf schien ihm seine Worte nicht einmal übel zu nehmen.
»Ich habe einen Fehler gemacht, das gebe ich zu«, sagte von Salm
ruhig. »Bei Eurem Freund habe ich mich bereits entschuldigt, und
wenn Ihr wollt, hole ich es bei Euch noch einmal nach. Ihr werft mir
vor, ich hätte einem einzelnen Mann Unrecht getan? Sei es so! Ich
würde hundert Unschuldige opfern, wenn es sein müsste! Ich habe
eine Stadt zu retten!«
Das waren wenigstens klare Worte, dachte Andrej. Vielleicht war
es sogar das erste Mal, dass von Salm ganz unumwunden die Wahrheit sagte. Er konnte den Grafen sogar verstehen. Aber das machte
ihn ihm nicht sympathischer. Abu Dun und er lebten nur noch, weil
von Salm sich einen Nutzen von ihnen versprach.
»Das ist mein Angebot«, sagte von Salm kalt. »Ihr jagt und erlegt
diese gottlose Kreatur. Danach seid Ihr frei und könnt Wien verlassen, ausgestattet mit einem von mir unterzeichneten Passierschein
und einer ansehnlichen Summe Geld.«
»Und wenn nicht, brennen wir auf dem Scheiterhaufen, nehme ich
an?«
»Das wäre eine Verschwendung von Brennholz und Zeit«, sagte
von Salm mit einem dünnen, boshaften Lächeln. »Die Kunde von
dem unbesiegbaren Schwertkämpfer und seinem Freund, dem riesigen Mohren, der gegen seine eigenen Brüder kämpft, ist ganz bestimmt auch schon an Solimans Ohr gedrungen. Ich kann mir vorstellen, dass er ganz begierig darauf ist, Euch kennen zu lernen.« Er
schnitt die Antwort, zu der Andrej ansetzte, mit einer Handbewegung
ab. »Das ist keine Drohung, Andrej, vielmehr eine Prophezeiung. Ich
nehme an, Ihr pflichtet meiner Einschätzung der Lage bei?«
Andrej reagierte gar nicht, aber
Weitere Kostenlose Bücher