Die Wiege des Windes
richtete sich am Geländer auf. Plötzlich verharrte er. Ein lautes Dröhnen erfüllte die Luft. Und es schien rasend schnell näher zu kommen. Dann fielen zwei Schüsse, draußen irgendwo in der Dunkelheit. Er wandte sich um und humpelte in die Küche. Es war höchste Zeit zu verschwinden.
38
Alex Uhlenbruch hatte über das Polizeirevier in Norden einen Beamten der Polizeistation Norderney zu Hause erreicht und die Adresse von Onno Behrend herausgefunden. Damit ergab das Auftauchen der Sigtuna im Hafen einen völlig anderen Sinn. Trevisan hatte alle Kräfte mobilisiert, die er aufbringen konnte. Eine Einheit des Spezialeinsatzkommandos war in zwei Hubschraubern auf dem Weg. Ein Polizeiboot und sogar eine kleine Frisia-Fähre würden zum Transport der Polizisten auslaufen. Treffpunkt für die Einsatzkräfte war Norddeich. In knapp zwei Stunden war das Wasser abgelaufen und nur noch in den ausgehobenen Fahrrinnen konnten Schiffe verkehren. Alex fuhr den Wagen aus der Garage. Johannes Hagemann sollte auf der Dienststelle bleiben, um den Einsatz zu koordinieren. Es war kurz vor acht. Alex fuhr wie der Teufel, dennoch hatte Trevisan Angst, zu spät zu kommen. Die drei Kollegen von Norderney waren der Situation alleine nicht gewachsen.
Das Hafengelände in Norddeich war abgesperrt. Drei Streifenwagen warteten an der Zufahrt zur Autofähre. Zwei Polizeihubschrauber standen im Hintergrund. Ein Polizist in grüner Jacke und mit drei silbernen Sternen auf den Schultern stand vor einem der Wagen und unterhielt sich mit einem Kollegen im dunkelgrünen Einsatzanzug. Die schwarze Schutzweste über dem Anzug trug die Aufschrift »Polizei«.
Trevisan zückte seine Dienstmarke. »Trevisan von der Kripo Wilhelmshaven.«
»Dann sind Sie also der Kerl, dem wir den ganzen Schlamassel hier zu verdanken haben«, antwortete der Uniformierte.
»Die Fähre wird etwa eine Stunde brauchen«, erklärte der SEK-Beamte. »Mit den Hubschraubern sind wir in zwanzig Minuten drüben. Natürlich wäre es besser, wenn wir wüssten, wie viele der Kerle dort auf uns warten.«
»Wir müssen von vierzehn Mann ausgehen«, antwortete Trevisan.
»Zwei Kollegen von der Polizeistation haben in der Nähe des Krankenhauses Posten bezogen, aber bei so einer Übermacht müssen wir sie im Hintergrund halten«, berichtete der uniformierte Polizist, der dem Polizeirevier Norden angehörte. »Wir fahren mit der Fähre rüber, falls Fahndungsmaßnamen zu treffen sind. Außerdem ist es möglich, dass sich noch Komplizen auf dem Schiff befinden. Das Polizeiboot riegelt den Hafen ab.«
»Also gut, dann starten wir«, entgegnete der Mann im Einsatzanzug und wandte sich um.
»Haben Sie einen Platz für mich?«, rief ihm Trevisan nach. Alex Uhlenbruch zupfte an seiner Jacke. Trevisan wusste, was der junge Kollege wollte. »Ich meine zwei Plätze?«
Der SEK-Beamte zögerte nur einen Moment. »Dann werden wir einfach ein Stück zusammenrücken.«
*
Der Flug war kurz und unruhig. Alex und Trevisan fühlten sich wie Sardinen in einer Büchse. In Trevisans Magen rumorte es. Dann schaltete der Hubschrauberpilot auf Rotlicht um. Die Bell flog eine scharfe Kurve.
»Noch zwei Minuten«, meldete der Copilot über das Mikrofon. Das Motorengeräusch machte eine Unterhaltung ohne Sprechfunk unmöglich. Die Kollegen vom SEK bereiteten sich vor. Seile wurden eingehakt, die Waffen noch einmal überprüft und die Helme festgeschnallt. Jeder Handgriff saß.
Der Einsatzleiter bedeutete Trevisan, dass er sich das Sprechgeschirr aufsetzen sollte, das über ihm an der Decke hing. Trevisan streckte seine Hand aus und schob es über seinen Kopf.
»Wir landen nicht«, tönte es metallisch aus den kleinen Lautsprechern. »Wir fliegen eine Kurve und dann seilen sich meine Männer ab. Der Hubschrauber bleibt in der Luft und sichert die Umgebung. Erst wenn wir die Lage im Griff haben, geht der Vogel runter.«
Trevisan nickte. Er erschrak, als ein lauter Summer ertönte. Die Beamten schoben die beiden Türen des Hubschraubers auf. Die Bell schwankte. Die ersten beiden Polizisten sprangen durch die Tür. Die nächsten folgten und ehe sich Trevisan versah, waren er und Alex alleine in der Passagierkabine. Dann zog der Pilot den Steuerknüppel zur Seite und trat auf das Fußpedal. Der Hubschrauber zog nach Osten davon.
Trevisan richtete sich auf und riskierte einen Blick nach draußen. Im gleißenden Scheinwerferlicht sah er Bäume und Büsche unter sich vorbeihuschen. Sein Magen meldete
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