Die Wiege des Windes
ist los mit dir?«, fragte der alte Mann. »Das ist vielleicht eine Möglichkeit, einen von ihnen zu fassen! Wenn wir ihn zum Reden bringen, dann könnte er dich entlasten.«
»Einen fangen, meinst du?«
»Genau das meine ich. Wir lassen sie ins Haus und verbarrikadieren uns im oberen Stockwerk. Die Polizei können wir immer noch rufen, wenn wir einen vor der Flinte haben. Das ist deine einzige Chance, den Verdacht von dir zu nehmen.«
Ein Spiel auf Leben und Tod? Rikes Bedenken vor der eigenen Courage summten unüberhörbar in ihrem Hinterkopf. »Das sind Mörder.«
Onno schob den Einwand mit einem einzigen Wisch seiner Hand zur Seite. »Wir müssen sie überraschen.« Er legte die Hand auf ihre Schulter und zog sie an sich. »Ich werde auf dich aufpassen und ich weiß, was ich tue.«
*
Die Molly sollte gegen 16 Uhr in Norddeich ankommen. Da sich die Flutventile verklemmt hatten und nur wenig Wasser in den Maschinenraum eingedrungen war, war der Kutter seetüchtig geblieben, aber ein Schlepper war ausgelaufen, um ihn sicher in den Hafen zu bringen, damit so wenig Spuren wie möglich vernichtet wurden. Ein Lotse war an Bord und hatte Anweisung, seinen Platz nur im Notfall zu verlassen. Cordes Leiche befand sich noch an Bord. Der Notarzt der Seenotrettung schätzte, dass der Zeitpunkt des Todes bereits zwei Tage zurücklag.
Johannes Hagemann und Alex Uhlenbruch erwarteten Trevisan am zweiten Anleger vor dem Abfertigungsgebäude.
»Schöne Scheiße«, stöhnte Johannes.
»Kein schöner Einstand an Ihrem ersten Tag«, sagte Trevisan zu Alex Uhlenbruch, der sich am Geländer abstützte. »Wisst ihr schon Näheres?«
Johannes Hagemann verneinte. »Nicht mehr als du.«
»Wir warten noch auf Horst«, erklärte Trevisan.
»Horst Kleinschmidt ist unser Spurensicherer«, erläuterte Johannes, an Alex gewandt.
Der Schlepper und Kleinschmidt trafen nahezu gleichzeitig ein.
»Ich glaube, die legen drüben an«, mutmaßte Johannes.
Tatsächlich manövrierte der Schlepper die Ostseite des Hafens an. Es dauerte fast noch eine halbe Stunde, bis die Molly fest vertäut am Kai lag.
Trevisan fuhr zusammen mit Horst Kleinschmidt im Spurensicherungsfahrzeug hinüber in den Industriehafen.
»Beck hat seinen Unmut über unseren kleinen Ausflug an die Westküste geäußert«, sagte Kleinschmidt. »Er will morgen mit dir darüber reden. Du sollst dich bei ihm melden.«
»Mach dir keine Sorgen«, antwortete Trevisan. »Es ist unser Fall und dann arbeiten wir auch mit unseren Mitteln. Die Kollegen aus Norden und aus Aurich sind von mir informiert worden. Er soll zu mir kommen, wenn er etwas will.«
Trevisan hasste es, wenn sich die Vorgesetzten mit ihrem kleinkarierten Verwaltungsdenken in aktuelle Fälle mischten und auf ihre bereits mehr als zehn Jahre zurückliegende Erfahrung auf der Straße verwiesen. Trevisan schluckte den schalen Geschmack hinunter und schaute zu, wie Kleinschmidt und seine Männer in weißen Papier-Overalls über einen kleinen Landungssteg an Bord der Molly verschwanden. Sie trugen Plastikboxen an Bord, in denen sich ihre Ausrüstung befand.
Johannes und Alex kamen mit einem schmächtigen Mann im Schlepptau, der eine große, schwarze und offenbar schwere Tasche trug.
»Hast du jemanden von der Rechtsmedizin herbestellt?«, fragte Johannes.
Trevisan nickte. »Das ist Doktor Jäger aus Hage, er arbeitet für die Kollegen aus Aurich.«
»Es ist sehr ungewöhnlich, normalerweise arbeite ich im OP. Aber die Kollegen meinten, es sei dringend«, näselte der kleine Schmächtige und stellte seine Tasche auf den Boden.
»Sobald die Spurensicherung mit der Leiche fertig ist, können Sie ran«, erklärte Trevisan. »Ich muss wissen, ob Corde gefoltert wurde und wie und wann er starb. Er hat offenbar keine äußeren Verletzungen.«
»Sie wissen, dass ich hier nur unter Vorbehalt …«
»Das ist mir klar, die Staatsanwaltschaft wird auf alle Fälle eine Sektion anordnen. Doch das dauert mir zu lange. Wir müssen davon ausgehen, dass ein weiteres Menschenleben in Gefahr ist.«
Der Doktor nickte.
»Und wir werden anschließend den Kutter auf den Kopf stellen«, wandte sich Trevisan seinen Kollegen zu. »Wir müssen unbedingt einen Hinweis auf den Aufenthaltsort dieser Friederike van Deeren finden. Die Kerle sind nach wie vor hinter ihr her und ich glaube, dass das Mädchen irgendetwas besitzt, dass sie unbedingt haben wollen.«
Nach einer Weile gab Kleinschmidt das Signal und Doktor Jäger konnte an Bord
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