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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Zählungen.« Er führte sie durch einen langen Gang. Die verglasten Außenwände gaben den Blick auf ein Schwimmbecken frei. »Die Touristen drücken sich im Sommer die Nasen platt«, erklärte der Tierpfleger und bog in einen Seitengang ein, der an einer Tür mit der Aufschrift Privat endete. Er führte sie durch einen Saal in einen Nebenraum. Zehn Stahlspinde standen dort in Reih und Glied. Der Mann wies auf den letzten Schrank in der Ecke. »Corde.«
    Johannes kramte den Schlüssel aus seiner Manteltasche und steckte ihn in das Schloss. Er passte. Die Tür schwang auf.
    Enttäuschung breitete sich auf den Gesichtern aus. Ein paar Gummistiefel auf dem Boden, ein blauer Overall und eine gelbe Öljacke auf einem Bügel an der Stange. Der Südwester dazu lag auf dem Regalbrett. Mehr gab es nicht zu entdecken. Keine Wertgegenstände, keine Geheimnisse, keine weiteren Hinweise.
    »Verdammt!« Alex schlug mit der flachen Hand gegen die Metalltür, dass es schepperte. Der Angestellte zuckte zusammen. »Entschuldigung«, beeilte sich Alex zu sagen. »Wir dachten, dass wir etwas finden würden, das uns weiterbringt.«
    Alex wollte sich schon abwenden, als ihn Johannes am Ärmel zupfte. Er wies auf die Bilder an der Innenseite des Spinds. Neben einem Poster eines Heulers, der mit treuen Augen in die Kamera linste, gab es zahlreiche Fotos. Hilko Corde auf seiner Molly, Hilko Corde im Kreise weiterer Kollegen. Hilko Corde mit einem Heuler auf den Armen und ein weiteres Bild: Hilko Corde und ein Riese um die Sechzig in gelbem Ölzeug, mit einem Fernglas um den Hals. Der Riese hatte den Arm freundschaftlich um Corde gelegt. In der Ecke der Fotografie gab es eine Datumseinblendung. Das Bild war zwei Jahre alt.
    »Wer ist das auf den Fotos?«, fragte Johannes.
    Der Mann trat näher. »Das ist Hilko im Einsatz und Kollegen von hier. Damals, als wir draußen waren zur Zählung.«
    Johannes wies auf das Bild. »Und wer ist der Mann dort?«
    »Das ist Onno. Ein Freund von Hilko. Ist ab und zu mit uns rausgefahren.« Verschwörerisch fügte er hinzu: »Durfte der Chef nicht wissen. Ist ein pensionierter Beamter, der sich für die Vögel interessiert und Fotos macht.«
    Alex riss das Bild von der Schrankwand. »Wissen Sie, wo der wohnt und wie er mit Nachnamen heißt?«
    Der Tierpfleger lächelte. »Hat ein Haus gekauft, irgendwo in der Nähe der See. Er hieß Behrend, Onno Behrend, fast wie die Teesorte. Haben uns öfter darüber lustig gemacht, habe ihn aber schon lange nicht mehr gesehen.«
    »Einen Hinweis auf den Wohnort haben Sie nicht zufällig, irgendetwas, einen Ortsnamen, eine Besonderheit?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Weiß nur, dass er in der Nähe von einer Klinik wohnt. Hat immer davon erzählt, wenn die Krankenwagen gefahren sind.«
    Johannes lächelte und klopfte dem Tierpfleger auf die Schulter. »Ich glaube, Sie haben uns sehr geholfen.«
    *
    Neben den Nummern von Larsen, Rike und des Wirts der Hafenschenke in Greetsiel verwies das Verzeichnis in Hilko Cordes Handy unter der Rubrik »VIP-Privat« auf die Rufnummer von Onno Behrend. Es hatte nur wenig Mühe gemacht, die Adresse in Erfahrung zu bringen. Eine schlaue Idee, das Mädchen auf einer der Inseln unterzubringen. Dort logierten andauernd Feriengäste und fast in jedem Haus wurden Zimmer vermietet.
    Rike wurde noch immer von der Polizei gesucht. Aber noch eine Gefahr lauerte auf sie. Und die war schlimmer, als hinter hohen Mauern und vergitterten Fenstern leben zu müssen. Ob sie es schon wusste? Bestimmt. Sie war schließlich intelligent und sie war nicht zart besaitet. Auf der Insel hatte sie mit voller Wucht zugetreten. Sniper war bestimmt kein Schwächling, aber es hatte ihm gereicht. Und dann auch noch ihre Forschungsarbeit. Er hatte sie gelesen, wenngleich er sich eigentlich nicht dafür interessierte. Aber sie hatte gut aufgepasst und ihre Feststellungen waren korrekt gewesen. Innerhalb eines Jahres hatte die Population dieser stinkenden Rollmöpse in manchen Regionen bedenklich abgenommen. Ein Teil ihrer Schlussfolgerungen trafen den Kern, wenngleich sie den Grund dafür nicht wusste. Aber sie hatte recht, Stress mochten sie nicht, Hektik mochten sie nicht und bestimmte Töne mochten sie auch nicht. Und wenn die Biester nicht von selbst gingen, dann hatte man ja noch immer Igor und seine Leute.
    Er stand abseits, den Blick auf das kleine, weiße Haus am nordöstlichen Rande der Stadt gerichtet, verborgen hinter hohen Büschen und Birken. Einen

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