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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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gezeichnet. »Das ist der Plan vom Roten Sand. Natürlich nur ein schmaler Teil davon. Der westliche Gürtel.«
    »Und woher weißt du …«
    »Du hast mich darauf gebracht«, antwortete Onno Behrend. »Die Zahlen in der Spalte fünf, die in Klammern stehen.«
    Rikes Gesicht zeigte ihre Verwunderung. »Ich verstehe nicht?«
    »Deine Studie! Du hast die Robben auf den Sandbänken gezählt. Zweimal im Abstand von knapp sechs Monaten. Fünf der in Klammern gesetzten Zahlen sind identisch mit deinen Ergebnissen. Lege ich deine Daten zu Grunde und bringe sie mit den Daten auf der CD in Einklang, dann entsteht immer das gleiche Bild.« Onno wandte sich um. »Komm mit!«
    Sie gingen in das Zimmer unter dem Dach. An der Wand mit den Landkarten blieb Onno stehen. Eine Karte der Wesermündung im Maßstab 1:25000 hing direkt neben einem Bild einer Möwe, die sich im Wind treiben ließ. Onno ergriff den Bogen Papier und legte ihn über die Karte.
    Die eingezeichneten Daten stimmten überein. Sandbänke, Untiefen und Tiefenmeter. Ein schmaler Streifen der westlichen Untiefe.
    Rike schüttelte den Kopf. »Angenommen, du hast recht, dann heißt das, sie haben einen Teil des Roten Sandes vermessen. Aber warum?«
    »Das ist ein Naturschutzgebiet der ersten Kategorie«, gab Onno zu bedenken.
    »Sagtest du nicht selbst, sie hätten eine Genehmigung?«
    Onno schaute nachdenklich auf die Karte. »Trotzdem. Es ist doch ungewöhnlich, oder?«
    Rike wandte sich dem Bildschirm zu. Noch immer war dort die Tabelle der CD abgebildet. »Solange wir nicht wissen, was die anderen noch unentschlüsselten Daten bedeuten, können wir mit unserer Erkenntnis nichts anfangen. Sie haben eine Genehmigung und an Vermessungsarbeiten ist nichts Strafbares. Sicherlich hast du recht. Sie habe die Tiefe und die Sandbänke kartografiert. Aber wir wissen immer noch nicht weshalb.«
    Onno setzte sich an den Computer. »Ich werde es herausfinden«, sagte er entschlossen.
    »Noch so eine Nacht halte ich nicht durch«, erwiderte Rike. »Wir rufen die Polizei!«
    Plötzlich tönte das Klingeln des Telefons durch das Treppenhaus.
    Rike warf Onno einen ängstlichen Blick zu. Bewegungslos verharrten sie. Das Klingeln schien kein Ende zu nehmen. Nach schier unendlichen Minuten verstummte der Apparat. Rike atmete tief durch.
    »Gib mir noch vierundzwanzig Stunden«, brach Onno das Schweigen. »Ich spüre es, ich bin ganz dicht davor.«
    *
    Der Abend senkte sich über das Watt und die Sonne verglühte in einem feuerroten Ball, der die Welt in einen fahlen Glanz tauchte.
    Die Sigtuna steuerte über die Westerbalje auf die Inseln zu. Hinter Langeoog drehte das Schiff auf Westkurs, passierte die Schillbalje und überquerte die Ruteplate in Richtung Norderney. Das Schiff ging sanft in der mäßigen Dünung. Das Dämmerlicht verklang in tiefer Schwärze, als das Schiff in den Zielhafen einfuhr und am Kai vor Anker ging. Knapp drei Stunden waren seit ihrem Aufbruch vergangen.
    Männer gingen im Schatten der Dunkelheit von Bord und schlugen den Weg zur nahen Stadt ein. Unter ihren Jacken trugen sie großkalibrige Pistolen. Ihr Auftrag war klar definiert. Ein alter Mann und ein Mädchen in einem Haus am Ende der Stadt. Sie würden ihren Auftrag erfüllen und einfach wieder von hier verschwinden. Gnadenlos, lautlos, spurlos, so wie sie gekommen waren.
    Ihr Gewissen hatten sie in der untersten Schublade ihrer Seele verstaut.

37
    Am frühen Nachmittag waren Johannes Hagemann und Alex Uhlenbruch zurückgekehrt. Die Überprüfungen waren ergebnislos geblieben. Die Einwohnermeldeämter mussten passen und beim Abtelefonieren der Rufnummern hatten sie zwölf Teilnehmer nicht erreicht. Zwölf vage Möglichkeiten waren also geblieben.
    Erschöpft ließ sich Johannes in seinen Stuhl sinken. Er zitterte, doch er versuchte es zu verbergen. Trevisan setzte sich auf die Kante seines Schreibtisches. »Wie geht es dir?«, fragte er seinen älteren Kollegen.
    Johannes atmete tief ein. »In letzter Zeit quäle ich mich durch jeden Tag. Manchmal fühle ich mich wie ausgekotzt.«
    »Warst du beim Arzt?«
    »Drei Mal. Er hat mir Tabletten verschrieben. Teufelsdinger, sage ich dir. Seit ich sie nehme, kommt es hinten genauso dünn wie vorne, wenn überhaupt noch etwas kommt. Er meinte, ich solle in den nächsten Wochen zur Kur. Aber ich bin doch schon an der frischen Seeluft, weshalb sollte ich dann noch in die Berge.«
    »Johannes, wenn du dich nicht gut fühlst, du kannst jederzeit zu Hause bleiben

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