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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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wünschten sich ein Geschwisterchen oder ein Pferd. Helen einen Vater. Aber sobald Wünsche erfüllt werden, bleibt die Realität unweigerlich hinter den Erwartungen zurück. Plötzlich zeigt sich die Unvollkommenheit: Das Pferd muss gestriegelt werden, das Geschwisterchen kann nicht Fußballspielen. Und drei Väter hätten unendlich viele Möglichkeiten an Enttäuschungen mit sich bringen können. Selbst
ein
Vater wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit Helens Ideal nicht gerecht geworden.
    »Da ist noch was«, störte Leda Helens Bedürfnis, sich mit den Neuigkeiten anzufreunden. Leda musste endlich zu dem kommen, was sie die ganze Zeit über sagen wollte. »Gemeinsam mit meinen Ersparnissen, dem Geld, das deine Väter seit deiner Geburt für dich gezahlt haben und dem, was dir deine Großeltern vermutlich hinterlassen werden, bist du ziemlich vermögend.« Leda wartete, ob ihre Tochter Einspruch erheben würde. Doch Helen zweifelte, die Worte ihrer Mutter richtig entschlüsseln zu können. »Ich habe mich mit deinen Vätern beraten«, setzte Leda fort.
    »Das gibt’s nicht! Du hast noch immer Kontakt zu ihnen?«
    »Helen!« Ledas Ungeduld drängte dem Ende zu. »Sie haben über all die Jahre hinweg einmal mehr, meistens weniger Interesse an dir gezeigt. Sie waren gern über deine Fortschritte informiert / wollten, dass es dir gut geht. Aber hauptsächlich widmeten sie sich ihren anderen Lebensumständen – und Familien.« Leda hätte auf die ganze Wahrheit verzichten können, aber wenn ihre Tochter auf Schonungslosigkeit bestand, konnte sie die haben.
    »Du hast ihnen eine eingehendere Beteiligung ja auch ziemlich erschwert«, gab Helen nicht auf.
    »Glaub mir, die haben sie nicht angestrebt. Außerdem wäre es nicht gutgegangen. Mit keinem von ihnen. Entweder hätten wir uns gegenseitig eingeschränkt oder in alle Himmelsrichtungen zerstreut. So wie andere Familien auch.« Leda wollte es gut sein lassen. Wer konnte noch mehr Schmerzen gebrauchen? Sie nahm einen weiteren Zug. »Bevor ich mich endgültig von den dreien verabschiedet habe, habe ich mich mit ihnen über dein Vermögen unterhalten.« Sie dämpfte den Stummel auf der Untertasse ihres Frauenmanteltees aus und holte einen Schlüsselbund und einen Briefumschlag aus der Tischlade. »Wir haben dir ein Haus gekauft«, sagte sie erlöst. Das war der Satz, den sie schon vor geraumer Zeit sagen wollte. Einfach, klar und unkompliziert. Ein Satz, der niemanden schmerzt.
    »Das darf doch nicht wahr sein! Mama, hör jetzt auf damit, das Ganze ist ja nur noch lächerlich. Bist du dir wirklich sicher, dass du stirbst? Hast du wirklich Krebs? Oder ziehst du da nur eine riesengroße Transfiguration mit mir durch? Ich kann dich beruhigen, ich fühl mich schon wie eine Idiotin. Du kannst jetzt aufhören damit.« Helen wollte nicht mehr. Das waren zu viele Wendungen in einer zu verworrenen Geschichte. Das war unglaubwürdiger als der Trojanische Krieg mitsamt Odysseus’ zehnjähriger Reise. Mit schief gelegtem Kopf schaute sie ihre Mutter an, wie ein gelangweilter Teenager.
    Leda übergab ihr Schlüsselbund und Kuvert mit dem Kaufvertrag. »Überzeug dich selbst. Ein Haus im 8. Bezirk. Du kannst darin wohnen, es vermieten oder verkaufen. Tu damit, was du willst.« So, endlich war gesagt, was Leda sagen wollte. Sie war stolz, es hinter sich gebracht zu haben. Alles.
    Leo saß mit seinen Eltern in der zweiten Reihe auf einer Holzbank. Vor ihnen saßen Helens siebzigjährige Großeltern Erna und Anton Cerny. Helen sah sie auf Ledas Begräbnis erstmals seit längerer Zeit wieder. Sie kamen ihr wie ineinander verschmolzene Kerzen vor, die Rücken krumm, als schützten sie ihre Lebenslichter gegenseitig vor aufkommenden Stürmen. Der letzte große Sturm, der Tod ihrer Tochter, war noch nicht ausgestanden. Ledas Freundinnen und Freunde, allen voran Jasmin, richteten in dem für Konfessionslose bereitgestellten Abschnitt des Zentralfriedhofs ein schamanisches Ritual aus, das mehr Fest als Beerdigung war. Sie streuten Blütenblätter um Ledas Grab – von Jasmin konsequent »Erdhügel« genannt –, sangen, tanzten, musizierten, und alles schwebte in einer dichten Wolke aus Sandelholz. Jasmin trat vor die Festgemeinde, die teilweise auf Holzbänken, teilweise auf Decken saß. Sie erklärte in ihrer Eröffnungsrede, dass Leda – wie der Neumond – anwesend, lediglich momentan nicht zu sehen sei, aber bald – wie das Himmelsgestirn in seinen Zyklen – wiederkehren werde. Helen war

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