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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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Entmachteten.«
    Bin seltsame Antworten von Leuten wie Toni oder meiner Mutter gewohnt. Da Berta aber zu einer bodenständigeren Ausgabe von Mitmenschen zählt, kommt mir ihre Wortwahl merkwürdig vor.
    »Wie, entmachtet?«
    »Na, ich arbeite zum Beispiel als Zimmermädchen oder Putzfrau und gerade hab ich eine Bewerbung als Chauffeurin am Laufen.«
    »Also Dienstleistungsbereich.«
    »Im unteren Segment.«
    »Und was machst du dann so lang vor dem Computer?«
    Sie schaut mich überrumpelt an. Bin ich zu weit gegangen? Habe ich ihre Grenze überschritten? Frage mich andererseits, weshalb ich ständig das Bedürfnis verspüre, ihre Privatsphäre zu schützen? Berta schaut wie damals, als sie mich in ihrem Schlafzimmer angetroffen hat. Sie hört gar nicht mehr auf, überrumpelt zu sein.
    »Ich sehe dich dauernd vor deinem Computer sitzen und habe mich gefragt, was du da machst. Aber entschuldige bitte, das geht mich natürlich nichts an.«
    Durch meinen verbalen Rückzug entspannt sie sich wieder und sackt in ihre Schiefheit zurück. »Ach, das meinst du. Ich hab unterschiedliche Profile bei mehreren Personalvermittlern, weil ich es nie lange in einem Job aushalte. Ich check häufig, ob sich was Neues ergeben hat.«
    Lächle Berta an. Sie schaut streng zurück. Aber nicht böse, sondern mit dieser gesammelten Ernsthaftigkeit, hinter der ich die Arbeit am Weltgewicht vermute. Will zur Frage über die Entmachteten ansetzen. So ein Wort verwendet man doch nur, wenn man in seinem Schlepptau unerhörte Überlegungen und eine fundierte Weltanschauung hat. Fülle meinen Brustkorb mit Luft, da geht die Wohnungstür auf und Toni kommt in die Küche. Sie lächelt ein Strahlen, das ganz anders als Bertas regungslose Mimik ist. Toni begrüßt uns. Stelle die beiden einander vor. Bin gespannt, wie Toni mit Bertas Aura (so würde Toni den Respektabstand nennen) umgeht. Ob sie ihn überhaupt wahrnimmt? Toni neigt im Allgemeinen dazu, auf charmant übergriffige Art ins Reden zu kommen. Innerhalb weniger Minuten erfährt sie individuelle Lebensund Leidensgeschichten beinahe aller ihrer Gesprächspartner. Aber auch Toni wirkt leicht eingeschüchtert. Sie bleibt ungewohnt stumm, dann meint sie überraschend, sie habe noch drei Kundinnen drüben warten. »Ich wollte nur schnell sagen, dass ich heute nicht mehr nachhause komme.« Sie hebt dabei konspirativ ihre Augenbraue. Das soll mir zu verstehen geben, dass es sich bei ihrem externen Nachtquartier um die Unterkunft ihres Schülers handelt. Sie verabschiedet sich rasch und verlässt uns wieder. Finde ihr Verhalten ungewöhnlich. Berta denkt ungerührt an etwas Gravierendes, zumindest ihrer Körperhaltung nach zu urteilen. Verschlucke meine Frage bezüglich der Entmachteten. Für heute genügen mir Bertas schwerer und Tonis verwirrender Auftritt. Außerdem scheint Sonnenlicht durch die Wolkendecke. Biete Berta an, in den Garten zu gehen.
    Wir nehmen uns Sitzpölster mit und setzen uns auf die Holzbank. Berta streckt die Beine von sich, ihre Schultern wirken jetzt waagrechter. Entweder sitzt sie bequemer oder ihre Gedankenarbeit pausiert. Ihr Blick wandert über die brachliegenden Beete, dann zum Holunderstrauch neben dem Komposthaufen. Noch deutet wenig auf die sommerliche Üppigkeit hin, die in knapp drei Monaten hier ausbrechen wird. Die Rosenstöcke an der hinteren Gartenmauer sind eingewintert und haben noch keine Lavendelbüsche zu ihren Füßen, die Weinreben sind nackte Besen, die Obstbäume ein trauriger Anblick. Die Divergenz zwischen brauner Realität und blühender Zukunft macht mich ungeduldig.
    »Trockenklo hast du gesagt, oder?« Berta deutet zum Holzhäuschen.
    »Eine Mischform. Ich trenne Harn von Stuhl, und Wasserspülung gibt es auch keine. Asche trocknet meine Fäkalien. Aber manchmal mische ich meine humane Erde unter den Kompost, manchmal versetze ich meinen gefüllten Goldtopf mit Sauerkraut und vergrabe ihn in der Blumenwiese. Das ist so ein Terra-Preta-Konzept.« Erwarte, dass sie genauer nachfragt, sich ekelt oder mich des totalen Wahnsinns verdächtigt. Tut sie aber nicht. »Du gehst wirklich bei jedem Wetter hier aufs Klo? Auch nachts?«
    Bin ein wenig enttäuscht von dieser banalen Frage. »Ja.«
    »Wegen dem Humus?«
    »Genau.«
    »Reicht der Komposthaufen nicht aus?«
    »Es kann nie genug Humus geben. Ich hab sogar eine Wurmfarm. Die ist momentan in der Gerätekammer, damit die Würmer nicht erfrieren.«
    Berta überlegt. »Wie viel macht das?«
    »Du meinst

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