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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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Vorausgesetzt, er bleibt ihr etwas länger erhalten. (Hat ganz den Anschein.)
    8.2.
    Berta sitzt drüben vor ihrem Computer. Würde gern mit ihr reden. Möchte wissen, was sie macht. Wovon lebt sie? Gehe im Geist Gespräche mit ihr durch. Obwohl sie bisher nicht viel von sich erzählt hat, wirkt sie wie jemand, der was zu sagen hat. Erwarte erfrischende Ansichten und Meinungen von ihr. Bin auf ihre Gedanken neugierig. Was mir seit Leos Abgang nicht mehr passiert ist. Eigentlich war ich schon vor seinem Tod an niemandem mehr interessiert. Ist mein Wunsch, mehr über Berta zu erfahren, erfreulich oder bedenklich? Ist er ein Zeichen von Einsamkeit? Oder läutet er die nächste Stufe des Wahnsinns ein: mit Teddybären schimpfen (die ich erst kaufen müsste), imaginierte Besucher empfangen, von Außerirdischen entführt werden? Ist der Wunsch, mit Berta in Kontakt zu treten, lediglich Zeichen meines eintönigen Lebenswandels?
    Im Garten ist eigentlich nichts zu tun. Bringe trotzdem Asche vom Ofen zur Steinschale ins Holzhäuschen. (Brauche schließlich etwas Bewegung.) Unter fünf Grad stoppt zwar die Verrottung, daher wäre die Trocknung meiner Scheiße nicht nötig (sie ist auch tendenziell komprimierter und dunkler als sonst), schaufle aber trotzdem fleißig Asche nach → irgendwann wird es Frühling und meine Mikroorganismen werden wieder tätig werden.
    10.2.
    Warum rufe ich Berta nicht einfach an, sondern druckse so gestört herum? Warum glaube ich, Berta mit meiner Person zu belästigen? Wenn sie nicht mit mir sprechen möchte, wird sie es schon sagen. Was ist dabei, jemanden zum Tee einzuladen? Habe ich mich wirklich derartig entwöhnt von menschlichem Umgang? → Mit dessen Raffinessen ich noch nie vertraut war. Oder liegt es an ihr? Sie hat etwas an sich. Als fordere sie Respektabstand ein. Jedenfalls vermittelt sie mir das Gefühl, ihre Privatsphäre könne äußerst leicht verletzt werden → Einbildung? Was kann denn mit einer Einladung schon verletzt werden?
    Stelle mich zum Fenster und starre so lange zu Berta hinüber, bis sie mich sieht. Öffne das Fenster, sie versteht und macht das Gleiche.
    »Willst du ein bisschen plaudern kommen?«
    »Okay, ja. Muss nur schnell noch was erledigen, dann bin ich bei dir.«
    So einfach kann das gehen.
    Als sie in meiner Wohnung ist, streift sie durch die Zimmer wie ein Jagdhund durch den Wald. Sie berührt nichts, aber ihr Blick sammelt alles ein. Bertas Kommentar nach dem Rundgang: »Dafür, dass dir das Haus gehört, bewohnst du einen relativ kleinen Teil davon.« Erkläre, dass das früher anders war, nämlich dreimal so groß. »Wie Toni eingezogen ist, haben wir die Wohnung geteilt, und sie hat den größeren Teil bekommen, wegen ihrer Praxis. Ich brauche nicht mehr.«
    »Bescheiden«, meint sie.
    »Mehr als genug für eine«, meine ich. Berta fragt nicht, weshalb Toni eingezogen ist und was ich davor auf 300 Quadratmetern Wohnfläche getan habe. Ist sie rücksichtsvoll oder desinteressiert?
    In der Küche sitzt sie mir gegenüber. Betrachte ihr schmales Gesicht, ihre helle Haut, ihre kurzen Haare, die nur knapp über dem Haaransatz nach vor gekämmt sind und ihr Gesicht einrahmen. Wenn sie spricht, bleiben ihre Züge ziemlich starr. Sie hält sich etwas schief. Jedenfalls vermittelt ihre Körperhaltung den Eindruck, sie müsse das Gewicht der Welt zumindest mit einer Schulter anheben. Mache uns Melissentee.
    »Der stammt aus meinem Garten.«
    »Fein«, sagt sie. Beim Trinken stützt sie ihren linken Ellbogen auf den Oberschenkel, was ihre Schultern in noch deutlichere Schräglage bringt. Ihre Persönlichkeit bekommt dadurch eine zusätzliche Nuance. Als laste auf ihrer schlanken Figur eine Schwere, die sie ständig zu bearbeiten hätte, die ihr permanent zu denken gäbe. Berta kommt mir plötzlich weit älter vor. Dachte bisher, sie sei jünger als ich. Aber mit dem Alter ist es so eine Sache. Eine Lebenseinstellung. Manche Menschen kommen sich noch mit achtzig jung vor und verzweifeln, weil ihnen ihr Körper unleugbar gegenteilige Signale sendet. Ich hingegen bin mir schon mit achtzehn alt vorgekommen, obwohl kerngesund und zu schmerzfreier Bewegung fähig. Eventuell ist das bei Berta genauso → ist jung, denkt älter.
    Missachte aufgrund dieser möglichen Gemeinsamkeit Bertas Respektabstand und erkundige mich endlich nach ihrem Beruf.
    Sie hebt ihre hängende Schulter und sagt: »Ich bin Leiharbeiterin.«
    »In welchem Bereich?«
    »In dem der

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