Die wilde Gärtnerin - Roman
Sie gibt mir Sinn, weil ich auf sie aufpassen darf. Verstehen Sie? Also, aufpassen ist das falsche Wort. Helen passt natürlich auf sich selbst auf. Aber Sie wissen, was ich meine. Ich dachte immer, Helen würde
mich
brauchen und nicht umgekehrt. Jetzt weiß ich, dass unsere Freundschaft eine wechselseitige ist. Erst durch die kurze Szene mit Berta habe ich erkennen können, wie wichtig Helen für mich ist. Und wie viel Angst ich habe, sie zu verlieren. – Als hätte ich ein Vorkaufsrecht auf Helen. – Ich weiß, für Sie klingt das sicher nach Frauenzeug oder so was. Also, wenn Sie sich mit Ihren eigenen Gefühlen noch nicht so auseinandergesetzt haben, dann kommt Ihnen das alles sicher ziemlich irre vor. Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich haben Männer genau die gleichen Gefühle wie Frauen, nur glauben das die Wenigsten. Also mir kommt vor, da haben sich einige Leute darauf geeinigt, dass Männer und Frauen verschieden sind. Und wenn man mal an diesen Unterschied glaubt, findet sich freilich überall Bestätigung dafür. Aber ich unterstelle Ihnen und Ihren Geschlechtsgenossen keine Andersartigkeit oder Gefühllosigkeit oder so was, auf gar keinen Fall ...
[...] Na gut, wollte ich nur geklärt haben ... okay, weiter ... Wo war ich? [...] Ah ja, die Küche, also, wie ich Berta und Helen in der Küche gesehen hab, hab ich so körperlich reagiert, als hätte ich ein Besitzrecht auf Helen. Verstehen Sie? Ich hab die Befürchtung gespürt, diese Unbekannte könnte mir Helen streitig machen. Aber gleichzeitig hab ich mich auch für Helen gefreut. Ich hab mir gedacht, schau, sie hat offensichtlich ihre Isolation überwunden, ist auf jemanden zugegangen, hat eine gefunden, mit der sie ein intensives Gespräch führen kann. Ist doch schön. Aber einfach war der Moment für mich nicht. Können Sie das nachvollziehen?
[...] Nein, wann und wie sie Berta kennengelernt hat, weiß ich nicht. Hab ich doch schon gesagt.
+++ Arbeitslosigkeit in Eurozone wird 2012 auf 10,3 Prozent steigen +++ Beleuchtungskonzern Osram stiftet drei Millionen für Energiespar-Projekt +++ Durchschnittliche Staatsverschuldung wird 90,6 Prozent des BIP erreichen +++ Politik überlegt Verhaltenskodex gegen Korruption +++ Brüssel denkt über Quecksilberverbot ab 2015 nach +++
1945
Wir hätten lieber in Wien bleiben sollen, dachte Magda.
Sie lag in einem von zwanzig Betten im Weinkeller der Cernys, in den sie sich mit ihren angeheirateten Verwandten zurückgezogen hatte. Viele Generationen hatten hier sauren Veltliner gekeltert. Nun warteten sie, ob der Leibhaftige in Gestalt russischer Soldaten auf sie herniederkommen würde. Sie warteten und beteten, denn womöglich käme der Teufel doch nicht – vielleicht würde er dieses fromme Völkchen im Weinkeller verschonen. Magda konnte mit den Rosenkranzgebeten, die rund um sie gemurmelt wurden, nichts anfangen. Wir hätten lieber in Wien bleiben sollen, dachte sie. Anton brummte mit den anderen mit, um nicht unangenehm aufzufallen. Neben ihm lag die schwerhörige Tante Rosa. Sie hatte ein rüschenbesetztes Häubchen auf ihrem fast kahlen Kopf. Aus Rosas zahnlosem Mund sprudelten unentwegt Worte des Gebets. Allerdings irgendeines anderen Gebets, das niemand sonst im Raum aufsagte.
Anton schaute Tante Rosa an, sah ihre Haube, ihre faltigen Lippen und hörte ihr wirres Gemurmel. Dann überblickte er den von Kerzen spärlich beleuchteten Weinkeller. Bett neben Bett stand in einer Reihe an der Wand, darin seine Verwandten, alle betend. Er wollte nicht, wusste, er durfte nicht, aber er konnte nicht anders: Er begann zu lachen. Und konnte nicht aufhören. Je mehr er versuchte, sich zusammenzureißen, desto stärker sprengte das Lachen seine Anstrengung. Anton kroch unter die Decke seiner Mutter, versteckte sein Gesicht in Magdas Achsel und hoffte, sein Gelächter, das sich nicht verdrängen ließ, sei außerhalb der Decke nicht zu hören. Magda drückte die Tuchent auf ihn. Sie wollte verhindern, dass abermals über Anton, sie und ihre misslungenen Erziehungsmethoden geredet wurde. In dieser ernsten Situation zu lachen, während die Maria Mutter Gottes voll der Gnade um Hilfe angefleht wurde, würde einen neuerlichen Beweis für Magdas städtische Verderbtheit liefern, die noch alle ins Unglück stürzen würde. Unter der Decke beruhigte sich Anton. Er streckte seinen Kopf hervor, schaute Magda an. Die legte ihren Finger auf die Lippen und machte: »Sch«. Er nickte, sah aber auch ihr
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