Die wilde Gärtnerin - Roman
Wasser in einer Salatschleuder. Es ist beruhigend, dass sich nicht alle Menschen von Finanzen wirr machen lassen.
Toni wird von anderen Dingen verrückt: von ihrer Shanti-Woche-Planung. Aus Deutschland hat sich eine Bewusstseinstrainerin angekündigt, die Lichtarbeit anbieten wird. Ein Mental-Coach von irgendwo wird kommen und einen Herzabend ausrichten. Von ähnlichen und noch mehr Dingen schwärmt sie. Tu mir jetzt schon leid, das über mich ergehen lassen zu müssen (wenn auch versteckt in meiner Wohnung). Viele ihrer Angebote sind mir noch von Leda bekannt. Bei dem geplanten Engel-Seminar steige ich allerdings aus. Die Esoterikwelt hat anscheinend auch ohne meine Mutter obskure Entwicklungen durchgemacht.
Am Nachmittag klart es auf, der Regen stoppt. Nutze die Gelegenheit, um ein Stück Grasnarbe von der Blumenwiese zu entfernen, ein Loch zu graben, meinem vollen Tontopf etwas Sauerkraut einzuimpfen und ihn zu versenken. Schütte alles wieder zu, setze Grassode drauf. Meine schwarze Erde wird sich von allein unterirdisch ausbreiten.
FORTSETZUNG VERHÖRPROTOKOLL, 24. JULI 2012
Und dann haben mich die Vorbereitungen für das Sommerfestival in Beschlag genommen. Ich hab ja am Anfang nichts als meine Wunschliste gehabt. Mit den Leuten und Themen, die ich dabeihaben wollte. Aber das waren nur die, die ich kannte, bei denen ich schon mal was gemacht hab. Wie sollte ich an mögliche neue Vortragende kommen? Wie konnte ich Interessierte verständigen, zu denen ich noch keinen Kontakt habe? Außerdem hat es noch kein Programm für das Festival gegeben. Das sollte ja erst mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erarbeitet werden, weil erst beim Festival klar sein würde, wer was anbieten möchte. Dann bin ich auf die Idee gekommen, dass ich einen Blog brauche, auf dem ich laufend über das Projekt schreibe. Und dass ich auf
facebook
posten muss, damit ich so viele Interessierte wie möglich erreichen kann. Ich hab Flyer gestaltet und sie jeder, die ich getroffen habe, in die Hand gedrückt. Auch bei Esoterik-Instituten hab ich sie aufgelegt. Aber wissen Sie, das hab ich alles erst lernen müssen. Mit
facebook
umgehen, einen Blog einrichten, ein Grafikprogramm checken. Das war viel Arbeit. Das hab ich bisher alles nicht gebraucht. Und dabei ist es noch gar nicht um die Details gegangen. Also, wer braucht was für welchen Kurs? Oder, wie viele Leute kommen überhaupt? Ich hab mich total auf die Vorbereitungen gestürzt. Und war überfordert. Na ja, das ist vielleicht das falsche Wort. Gefordert, sagen wir. Ordentlich gefordert. Da hat man jahrelang einen Wunsch, eine Idee, die man realisieren möchte, aber wenn es dann so weit ist, sieht man nur einen riesigen Berg Arbeit vor sich und weiß nicht, wo zuerst anfangen. Kennen Sie das? Bei mir hat sich wochenlang alles ausschließlich um das Sommerfestival gedreht. Ich hab ständig davon geredet. Sogar in den Shiatsu-Stunden hab ich meine Kundinnen damit zugetextet.
[…] Ich war geistig so beschäftigt, ich hab gar nicht bemerkt, wie wenig Zeit ich mit Helen verbringe. Sie war immer im Garten. Da ist sie eh beschäftigt, hab ich mir gedacht. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich auch mit ihr nur über das Festival geredet hab. Glaub ich jedenfalls. Aber es war halt auch sehr aufregend für mich. Ich hab ja vorher noch nie so was Großes organisiert. Da war ich eben ein bissl durch den Wind. Ein bissl viel. An irgendeinem Punkt hab ich dann zu mir gesagt, ach, lass doch einfach alles auf dich zukommen, handle im Moment, dann wirst du schon das Richtige tun. Aber eigentlich ist das Projekt über meine Kräfte gegangen. Man könnte fast sagen, es ist mir über den Kopf gewachsen.
+++ Kommt generelles Verbot von Credit Default Swaps? +++ Sammelklage gegen Vorsorgekassen zeigt Wirkung +++ Eurozone schrammt an Rezession vorbei +++ Griechen heben 700 Millionen Euro von Bank ab +++ Moody’s stuft 16 spanische Banken ab +++
1965
»Hände auf den Tisch und stumm wie ein Fisch.« Anton Cernys Gebot hing über dem sonntäglichen Mittagsmahl wie Schwefel in einer Glasglocke. »Iss jetzt«, befahl er seiner fünfjährigen Tochter Hilde, die mit geradem Rücken vor ihrem Teller saß.
Erna hatte Hildes Sessel so nahe an den Tisch gerückt, dass ihre Tochter ohne fremde Hilfe nur seitlich zwischen Lehne und Tischkante vom Sessel schlüpfen konnte. Aber das war verboten, solange sie nicht aufgegessen hatte. Was bedeutete, sie würde auch heute lange sitzen bleiben. Denn ihr
Weitere Kostenlose Bücher