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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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gerade
geschwängert, und sie fragt ihn: »Willst du einen Jungen oder ein Mädchen,
George?« George überlegt einen Augenblick und sagt dann: »Eine Totgeburt.«
    »Trumper?«
fragte Tulpen noch mal. »Einen Jungen oder ein Mädchen? Oder ist es dir egal?«
    »Ein Mädchen«,
sagte er. Sie war jetzt aufgeregt, spielerisch aufgelegt, trocknete ihre Haare
mit einem großen Handtuch und tanzte ums Bett herum.
    »Warum ein
Mädchen?« fragte sie ihn. Sie ließ nicht locker, die Unterhaltung gefiel ihr.
    »Ich weiß es
nicht«, murmelte er. Er hätte lügen können, doch die Lüge auszufeilen war
schwierig. Sie ergriff seine Hände, setzte sich vor ihm aufs Bett und ließ das
Handtuch fallen, das sie sich um den Kopf gewickelt hatte.
    »Sag schon«,
bohrte sie nach. »Weil du schon einen Jungen hast? Ist es deswegen? Oder hast
du Mädchen wirklich lieber?«
    »Ich weiß
nicht«, sagte er ärgerlich.
    Sie ließ seine
Hände los. »Es ist dir also egal«, sagte sie. »Es ist dir eigentlich egal,
oder?«
    Jetzt saß er in
der Falle. »Ich will überhaupt kein Kind, Tulpen«, sagte er.
    [349]  Sie
rubbelte mit dem Handtuch ihr Haar, deshalb konnte er ihr Gesicht kaum sehen.
»Ich will eins, Trumper!« sagte sie. Sie ließ das Handtuch sinken und sah ihm
direkt in die Augen, so fest, wie ihn niemand je angesehen hatte, außer Biggie.
»Also werde ich auch eins kriegen, Trumper, ob’s dir paßt oder nicht. Du mußt
nicht mehr tun als sonst auch«, fügte sie bitter hinzu. »Du brauchst nur mit
mir zu schlafen.«
    In diesem
Moment wollte er furchtbar gerne mit ihr schlafen; ihm war klar, daß es jetzt
das beste wäre, mit ihr zu schlafen, und zwar auf der Stelle. Doch er hatte
nichts als Brei im Hirn! Er dachte an etwas anderes, an Sprog…
    Der alte
Pferdetöter, der Baumausreißer hopste also durch die königlichen Schlafgemächer
und kugelte den Wächter des königlichen Schlafzimmers nieder. Dann hinein ins
feudale Bett. Zweifellos lag darin eine verschleierte und parfümierte Gunnel,
die ihres Herrn und Gebieters Akthelt harrte. Und da kommt dieser wuchtige
Troll an. Ob er auf sie draufgehüpft ist?
    Was immer er
tat, er tat es nicht schnell genug. Die Ballade berichtet, daß Gunnel »um ein
Haar von ihm erniedrigt« worden wäre. Um ein Haar.
    Offenbar hörte
Akthelt Gunnels Schreie bis hinab in die Schlafquartiere des Gesindes, wo er in
den Armen der üppigen Fluvia lag. Es kam ihm nicht in den Sinn, daß seine
Gemahlin von Sprog angegriffen werden könnte, er erkannte einfach nur ihre
Stimme. Er zog sich aus Fluvia zurück, legte schnell seinen Hodenschutz an und
rannte wie besessen zu den königlichen Schlafgemächern. Dort fingen er und
sieben Burgwächter den rasenden Sprog mit Netzen ein und trennten ihn mit Hilfe
mehrerer Schürhaken von der ohnmächtigen Lady Gunnel.
    Nach altem
Brauch fanden Kastrationen immer nachts statt, und so wurden am darauffolgenden
Abend dem armen Sprog die Eier mit der Streitaxt abgeschlagen. Akthelt war bei
diesem Schauspiel nicht zugegen, ebensowenig der alte Thak.
    [350]  Akthelt
betrauerte seinen Freund. Es dauerte einige Tage, bis er Gunnel fragen konnte,
ob Sprog sie tatsächlich… nun ja, gekriegt habe – sie wisse doch, was er
meinte? Gunnels Antwort: Das letztere ja, das erstere nein. Da fühlte Akthelt
sich noch elender, was Gunnel ziemlich ärgerte. Ja, Akthelt und der alte Thak
konnten sie nur mit Mühe davon abbringen, öffentlich zu fordern, daß Fluvia den
Wildschweinen zum Fraß vorgeworfen wurde.
    Die
Wildschweine lebten im Burggraben; den Grund dafür hatte Trumper nie
herausgefunden. Es ergab keinen Sinn. Burggräben waren normalerweise mit Wasser
gefüllt, aber vielleicht war dieser hier leck, hatte ein Loch, das man nicht
stopfen konnte, und sie hatten deshalb Wildschweine hineingetrieben, die nun
darin Wache schoben. Das war nur ein weiteres Beispiel dafür, was für eine
stümperhafte alte Ode Akthelt und
Gunnel doch
war. Altniedernordisch war nicht eben berühmt für seine kurzen, griffigen
Balladen.
    So wird zum
Beispiel die Legende von Sprog erst, viele Seiten nachdem Sprog und Fluvia an
die Küste von Schwud verbannt wurden, überhaupt erwähnt. Die Legende erzählt,
daß eines Tages ein müder, völlig erledigter Wanderer durch das Königreich von
Thak reist und in der Burg um ein Ruhelager für die Nacht bittet. Akthelt fragt
den Fremden nach seinen Abenteuern – Akthelt hört sich gerne gute Geschichten
an –, und der Fremde erzählt seine

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