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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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hätte nichts dagegen – das weißt
du doch, oder? Ich hab’s ihr sogar mal vorgeschlagen, Bogus.«
    »Ach,
wirklich?« fragte ich überrascht. Ich hielt dich am Bart; war mir nicht sicher,
ob ich dich küssen oder dir die Haare ausreißen wollte. »Und wie hat sie darauf
reagiert?«
    Du sagtest:
»Natürlich hat sie nein gesagt. Aber ich hätte nichts dagegen gehabt, Bogus –
glaub ich zumindest.«
    »Ich hätte auch
nichts dagegen gehabt, Couth«, erwiderte ich. Was wahrscheinlich nicht stimmte.
    Die Sonne war
jetzt ganz zu sehen, lag wie eine Boje auf dem Meer, tanzte auf der
Wasseroberfläche, und plötzlich war es so hell, daß ich dich zu genau sehen
konnte, Couth. Also sagte ich. »Gib mir noch die Fotos. Ich muß jetzt gehen…«
    Gemeinsam
gingen wir zum Haus, nahmen die Steintreppe hinauf, immer zwei Stufen auf
einmal. Ich spürte, wie du mir das Geld, das ich dir gegeben hatte, wieder in
die Tasche zurückschobst. Und ich erinnerte mich an deinen nackten Arsch damals
im Mondschein, wie du bäuchlings auf diesen Steinfliesen gelegen und gesungen
hast, Couth; du warst zu besoffen, um stehen zu können. Das Mädchen bei dir –
eins der beiden, die wir in West Bath aufgegabelt hatten – zog seinen Badeanzug
an, hatte keine Lust mehr, dich immer wieder hochzuziehen und zu überreden,
endlich ins Haus, ins Schlafzimmer zu gehen. Ich lag mit meiner Hälfte unseres
Fangs oben am Speicher des Bootshauses.
    Ich sah zu, wie
du dich auf dem Rasen ausgestreckt hast, und ich erinnere mich daran, wie ich
gemütlich an mein Mädchen gekuschelt dalag, nicht zu besoffen zum Bumsen, und
dachte: Der arme Couth, der kriegt wohl nie eine ab.
    Na ja, Couth,
das war nicht das erste Mal, daß ich mich geirrt habe.
    [392]  Als
sie in die Küche kamen, hatte Biggie Dante Calicchio gerade ein Sandwich
gemacht. Es war ein riesiges Sandwich, und Dante schob es sich von einem
trogähnlichen Teller aus in den Mund; Biggie hatte ihm einen Krug Bier
hingestellt, der die Größe einer Blumenvase hatte.
    Dante fragte
sich, wer jetzt wohl mit wem weggehen würde. Wenn ich jetzt an der Reihe bin,
mit dieser großen blonden Mieze an die Mole zu gehen, hab ich nichts dagegen,
dachte er.
    »Möchtest du
was essen, Bogus?« fragte Biggie.
    Doch Couth
sagte: »Er will losfahren, ehe Colm aufwacht.«
    Wer? dachte Dante Calicchio. Wer um
alles in der Welt kann in so einer Nacht schlafen ?
    »Hm«, begann
Bogus zögernd, »eigentlich würde ich ihn schon gerne sehen, aber ich will
nicht, daß er mich sieht… wenn das nicht zuviel
verlangt ist.«
    »Nach dem Aufstehen
füttert er immer zuerst seine Tiere im Bootshaus«, erklärte Couth.
    »Und er
frühstückt draußen auf der Mole«, fügte Biggie hinzu. Bogus dachte: Ein fester
Tagesablauf. Colm hat ein paar feste Bezugspunkte in seinem Leben. Wie sehr
Kinder doch etwas Stabiles im Leben brauchen. Hab ich eigentlich jemals so was
wie Stabilität in Colms Leben gebracht? Aber er sagte nur: »Ich könnte ihn doch
vom Billardzimmer aus beobachten, oder?«
    »Ich hab ein
Fernglas«, sagte Couth.
    »Mein Gott,
Cuthbert«, fuhr Biggie ihn an. Couth schien peinlich berührt zu sein, Biggie
ebenfalls. Bogus dachte: Cuthbert?
    Wann hat dich
jemals einer Cuthbert genannt, Couth?
    In einer Ecke
der Küche stand Dante Calicchio ängstlich inmitten der Gewürztrümmer,
verschlang sein Sandwich und stürzte das Bier hinunter und überlegte sich, ob
sein Chef vom Chauffeurdienst sich nicht langsam Sorgen machte und ob seine
Frau die Polizei benachrichtigt hatte. Oder umgekehrt?
    [393]  »Wir
werden bald losfahren«, sagte Bogus zu Dante. »Geh doch ein bißchen spazieren,
etwas frische Luft schnappen…«
    Dante hatte den
Mund so voll, daß er nicht sprechen konnte, doch was er dachte, war: Ach du
liebe Scheiße, soll ich dich etwa wieder mitnehmen? Aber er sagte kein Wort und
tat so, als merke er nicht, daß Bogus ein dickes Bündel Geld – tausend Dollar
vielleicht – in den Brotkasten schob.
    Dante saß am Ende der Mole, auf den kühlen, nassen Stufen, die
hinunter zum Bootsanlegesteg führten, und war fasziniert von dem Miniaturleben,
das sich in den Prielen im Wattenmeer und in den Felsspalten tummelte. Es war
das erste Mal, daß er beim Anblick von Schlick Lust bekam, mit nackten Füßen
darin herumzulaufen, er hatte sich die Hosen bis zum Knie hochgekrempelt und
seine bläulichblassen Stadtzehen in den saubersten Schlamm gesteckt, den er je
gesehen hatte. Auf der Mole über ihm lagen seine staubigen

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