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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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im
Gasthaus ›Tauernhof‹ besserte sich ein wenig.
    »Dann sprechen
Sie also Deutsch?« fragte der Reporter hoffnungsvoll.
    »Nur mit meinem
Vater«, gab das Mädchen zur Antwort.
    »Vielleicht
auch ein wenig mit mir?« scherzte der Reporter.
    »Nein«, sagte sie auf deutsch; ihrem
Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sie ein wenig ungehalten; vielleicht
dachte sie sich gerade: Warum fragst du mich nichts übers Skilaufen, du
Hohlkopf? Ein zweites Mädchen aus dem amerikanischen Team schaute ihr keck über
die Schulter und hielt ihr einen bereits ausgewickelten Kaugummi hin. Das
Mädchen schob ihn sich in den Mund und kaute darauf herum.
    »Warum kauen
alle Amerikaner Kaugummi?« wollte der Reporter wissen.
    »Nicht alle Amerikaner
kauen Kaugummi«, entgegnete das Mädchen und imitierte dabei seine unmögliche
Aussprache. Merrill und ich johlten laut. Der Reporter merkte, daß er mit ihr
nicht sehr weit kam, also versuchte er es auf die pampige Tour.
    »Wirklich
schade«, sagte er, »daß es das letzte Rennen in dieser Saison war, obwohl es
eine Ehre für Sie sein muß, die erste Amerikanerin zu sein, die eins gewonnen
hat.«
    »Wir werden
noch mehr gewinnen«, sagte sie und kaute heftig.
    »Vielleicht
nächstes Jahr«, meinte der Reporter. »Werden Sie auch nächstes Jahr Ski
laufen?«
    »Mal sehen«,
sagte sie. Dann verfing sich das Band, und das Bild sprang hin und her, was
Merrill und mich dazu veranlaßte, in laute Buhrufe auszubrechen. Als das Bild
wieder da war, versuchte der Reporter, mit dem Mädchen, das sich von ihm
entfernte und dabei die Skier locker auf den Schultern trug, Schritt zu halten.
Die Kamera wurde von Hand gehalten und wackelte, der Ton bestand vor allem aus
dem Knirschen des Schnees.
    [128]  »Schmälert
es Ihren Sieg«, fragte er sie, »daß Sie nur gewonnen haben, weil Heidi Schatzl
gestürzt ist?«
    Das Mädchen
drehte sich zu ihm herum und schlug ihm dabei fast mit den Skiern den Kopf ab.
Sie sagte kein Wort, und er fügte, etwas nervös, hinzu: »…oder weil Marguerite
Delacroix ein Tor ausgelassen hat?«
    »Ich hätte auf
jeden Fall gewonnen«, sagte das Mädchen. »Ich war heute einfach besser als die
beiden«, und ging weiter. Er mußte sich unter ihren herumschwingenden Skiern
ducken und laufen, um mit ihr Schritt halten zu können, wobei sich seine Beine
im Mikrophonkabel verfingen.
    »Sue ›Biggie‹ Kunft«, murmelte er auf deutsch in die
Kamera, während er ihr hinterherstolperte. »Die Amerikanerin aus Vermont, usa «,
sagte er. Er holte sie wieder ein und dachte diesmal daran, sich unter ihren
Skiern zu ducken, als sie sich zu ihm umdrehte. »Bei diesen Wetterbedingungen«,
fragte er sie auf englisch, »auf dieser vereisten, schnellen Piste, glauben
Sie, daß Ihr Gewicht Ihnen da geholfen hat?« Mit süffisantem Lächeln wartete er
auf ihre Antwort.
    »Was ist mit
meinem Gewicht?« fragte sie zurück. Die Frage war ihr peinlich.
    »Hat es
geholfen?«
    Sie ging in die
Defensive. »Zumindest hat es mir nicht geschadet .«Merrill
und ich wurden wütend. »Du hast ein Supergewicht!« brüllte Merrill.
    »Jedes Pfund
ist toll!« stimmte ich zu.
    »Warum nennt
man Sie ›Biggie‹?« wollte der Reporter wissen. Das brachte sie aus der Fassung,
man konnte es sehen, doch sie ging ganz nah an ihn heran, streckte die Brust
vor und lächelte breit. Sie schaute auf ihn hinab; es sah aus, als wolle sie
ihn mit ihren Brüsten zurückdrängen.
    »Was glauben
Sie?«
    Dieser
idiotische Reporter sah weg von ihr, winkte die Kamera näher, strahlte in die
Linse und schaltete gerissen auf Deutsch um: [129]  »Neben mir
steht die junge Amerikanerin Sue ›Biggie‹ Kunft…«, tönte er, als sie sich plötzlich
von ihm wegdrehte und ihm mit den herumschwingenden Skiern wunderschön gegen
den Hinterkopf knallte. Er rutschte aus dem Bild, die Kamera versuchte, ihren
Bewegungen zu folgen, bekam sie noch ein paarmal scharf ins Bild und verlor sie
schließlich in der Menge. Doch aus dem Hintergrund drang uns ihre Stimme ans
Ohr, wütend und verletzt: »Laß mich doch in Ruhe, verdammt noch mal«, sagte sie
auf englisch, »laß mich…« Der Reporter machte sich nicht die Mühe, das ins
Deutsche zu übersetzen.
    Dann priesen
Overturf und ich lautstark die guten Eigenschaften dieser Skiläuferin, Sue
›Biggie‹ Kunfts, und wehrten die nationalistischen Kommentare einiger
Österreicher ab, die mit uns zusammen im ›Tauernhof‹ einen tranken.
    »Echt geil, die
Kleine,

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